Schule vorbei – und direkt schon wieder studieren? Sich weiterhin mit Papier und Theoriekram herumschlagen, während da draußen in der Welt das bunte Leben tobt? Nee, dachte ich mir, Papier ist geduldig und studieren kann ich später immer noch. Ich wollte erst mal das Leben kosten, was Praktisches machen und mir vor allem darüber klar werden, was ich überhaupt sinnvollerweise studieren würde. So wuchs in mir der Gedanke, nach der Schule ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) abzuleisten. Freiwillig aktiv war ich ja bei den Pfadis sowieso schon, als Meutenführerin hatte ich auch schon Erfahrung in der pädagogischen Arbeit. Also warum nicht mal diese Erfahrungen und Fähigkeiten woanders einsetzen? Kurzerhand bewarb ich mich für ein FSJ in Frankreich – und ich wurde genommen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge startete ich in die Normandie und verbrachte dort ein Jahr in einem Heim für Menschen mit geistiger Behinderung. Neben dem Einblick in dieses Arbeitsfeld machte ich jede Menge wertvolle Erfahrungen, die meinen späteren Weg entscheidend mit beeinflusst haben: Ich lernte, wie es sich anfühlt, wenn man dort, wo man wohnt, fremd ist und in der Fremdsprache keine Worte findet, um dieses Gefühl auszudrücken. Ich lernte, dass allein sein schön sein kann und man sich plötzlich auch selbst viel zu sagen hat. Ich lernte, nochmal von Null anzufangen, mich selbständig in einer fremden Gegend zurecht zu finden und mir ein neues Umfeld aufzubauen.
Kurzerhand bewarb ich mich für ein FSJ in Frankreich – und ich wurde genommen.
Ich lernte auch, einen Arbeitsalltag zu bewältigen, Verantwortung für andere, hilfsbedürftige Menschen zu übernehmen, sie zu waschen, sie beim Essen zu unterstützen, sie in ihrer Entwicklung zu fördern und vor allem lernte ich, auch von ihnen zu lernen!
Voller Eindrücke aus der Praxis wuchs gegen Ende des Jahres auch wieder mein Hunger auf Theorie, und die Entscheidung, Pädagogik zu studieren, war dann sozusagen die natürliche Fortentwicklung eines Weges, der eigentlich schon mit den Pfadis und der dortigen Gruppenarbeit begonnen hatte. Erstaunlicherweise fügte sich nach dem Studium wieder ein Stein zum anderen und ich bekam eine Stelle beim Internationalen Bund, einem freien Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit, wo ich die Aufgabe hatte, eine Koordinierungsstelle für ein Freiwilliges Soziales Jahr aufzubauen. Das war genau das Richtige für mich: Ich konnte alle meine Erfahrungen aus dem FSJ und aus der Pfadfinderarbeit in diese Tätigkeit einbringen und vor allem auch an viele, viele Jugendliche weitergeben. Denn mittlerweile betreut unsere Koordinierungsstelle pro Jahr über 140 Jugendliche im Freiwilligen Sozialen Jahr und zwei Mitarbeiterinnen unterstützen mich bei dieser Arbeit. Auch wenn wir hier nur Einsatzstellen für das Inland und nicht für’s Ausland haben, so erlebe ich trotzdem, dass auch diese Jugendlichen ähnlich wertvolle Erfahrungen in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr machen wie ich und dass sie in einem Jahr immens an Selbständigkeit und Persönlichkeit gewinnen. Man muss also nicht unbedingt in die Ferne schweifen, auch im nahen Umkreis kann man ein FSJ ableisten und dabei viel erleben.
FSJ in Kürze
Zielgruppe des Freiwilligen Sozialen Jahres sind junge Leute zwischen 16 und 27 Jahren. Das FSJ ist auch für Kriegsdienstverweigerer als Alternative zum Zivildienst möglich. Das soziale Bildungsjahr dient der Persönlichkeitsbildung und der Berufsorientierung und ist eine sinnvolle Art der Überbrückung des Übergangs zwischen Schule und Berufseinstieg oder Studium. Zudem finden die jungen Menschen eine Möglichkeit, sich sozial zu engagieren. Das FSJ bietet:
- Einsatzstellen z.B. in der Kinderbetreuung, in der Betreuung von Menschen mit Behinderungen, in Altenheimen, Krankenhäusern oder mobilen sozialen Diensten, aber auch in kulturellen oder sportlichen Tätigkeitsfeldern
- pädagogische Begleitung in fachlichen und persönlichen Fragen
- 25 Seminartage
- Taschengeld, Verpflegungs und Wohngeld, Sozialversicherung
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