Wie habt ihr es eigentlich damals gemacht? Fragen an die „Grauköppe“. An diejenigen mit dem deutlich trägeren Schritt und die es sich auch etwas bequemer am Feuer machen, um mit verklärtem Blick die alten Lieder mitzusingen. Die Ergriffenheit und die Erkenntnis, dass gute und wichtige Dinge im Leben – besonders die Pfadfinderidee – immer Bestand haben werden, treibt die eine oder andere heimliche Träne ins Auge. Das Klufthemd passt schon lange nicht mehr, aber es hat noch einen Ehrenplatz im Schrank, der gegen immer häufigere Attacken der Lebenspartner und dem Altkleider- sack verteidigt werden muss. Aber die Grauköppe spricht man hier und da doch noch einmal an, um deren alte Geschichten und die eigene Geschichte aus einer anderen Perspektive zu erfahren.
Wie konntet ihr vor zwanzig Jahren einen Stamm führen ohne die Techniktools von heute? War nicht vieles dem Zufall überlassen und die Planungen der Fahrten und Lager äußerst unflexibel? Wo hattet ihr die Informationen über Lagerplätze, Fahrtengebiete und die Verbindungen zu anderen Gruppen her? Und warum hat es Dir damals trotzdem Spaß gemacht und bist mit dem Virus Pfadfinder infiziert worden?
Schon bei der Fragestellung drängt sich die vage Erkenntnis auf, dass doch nicht alles mit den modernen Errungenschaften der Technik zu tun haben kann. Die Kommunikation war schon etwas beschwerlicher. Ja, sie benötigte mehr Zeit als heute, war aber den Bedürfnissen angepasst und verband die Mitglieder trotzdem, oder gerade deswegen. Die damaligen Medien hießen – nur- etwas anders:
E-Mail: Man schrieb sich Briefe, frankierte sie und trug sie zum Briefkasten. Die Korrekturen für den haddak erreichten mich im Päckchenformat (so war sich unser Briefträger immer einer reichlichen Spende zu Weihnachten sicher).
Chatten: Das Einzugsgebiet war das Stadtviertel. Man besuchte sich oder tauschte Infos in der Schule oder durch die Haussprechanlage aus.
Communitys: Wenn man – Halstuchträger- sah, wurden sie angesprochen und die Adressen ausgetauscht. Man besuchte sich gegenseitig und diskutierte bis in die späten Nachtstunden.
SMS: An einem Nagel neben der Hüttentür spießte man den Zettel mit der Nachricht für die Sippe oder den Führungskreis auf.
Mailbox: Waren meist Eltern oder Mitbewohner.
Googeln: Informationen über Zeltplätze, Busunternehmen, Fahrtengebiete und Ideen sammelten wir auf Treffen, auf Lagern und in Büchereien. Oder wir hatten einfach den Mut uns auf etwas Neues einzulassen. Die Altpfadfindergilde sammelte und verteilte die Infos.
MP3: Lieder für den nächsten Singewettstreit wurden auf Kassette aufgenommen, vervielfältigt und verteilt. Der Erfolg gab uns Recht.
Online: Telefongespräche mit dem häuslichen Drehscheibentelefon (schwere Telefonhörer); 23 Pfennig für ein Ortgespräch; Telefonketten, die oft nicht durchkamen.
Camcorder: Super-8-Film in saumäßiger Qualität. Dias schon besser und mit Tonband gesteuert, mit Musik vertont – super! Das multimediale Erlebnis eines jeden Elternabends.
Kopierer: alte Schreibmaschine mit fünf Durchschlägen, mehrfach das Gleiche getippt. Es kam schon mal vor, dass das Protokoll des gleichen Stammesthings geringe Unterschiede aufwies.
Aber wir als Pfadfinder und im Besonderen die mit Führungsverantwortung waren nicht die von gestern oder die in der Vergangenheit Verharrenden. Nein, schon immer wurden die Früchte der Technik wissbegierig und zum Nutzen einer besseren Jugendarbeit eingesetzt. In unserer Kirchengemeinde gab es schon früh eine Umdruckmaschine, die wir auch für unsere Einladungen und das erste „Horstblättchen“ nutzen durften. Böse Zungen behaupteten, dass die Begeisterung für diese Arbeit wegen des Schnüffelns am Lösungsmittel Spiritus ihren Ursprung fand. Erste Computer (wie Apple II, TRS80 und später auch Atari) erleichterten nur geringfügig die Arbeit. Sie ersetzten den Schuhkarton mit der Mitgliederkartei durch eine Mitgliederdatei (dBase oder so ähnlich). Dietmar hatte den ersten Nadeldrucker, sehr teuer und unangenehm laut, aber er schonte die Sehnenscheiden der Handgelenke. Die Möglichkeiten der Vervielfältigung von Rundschreiben und Protokollen in den Firmen, wo Pfadfinder oder Eltern beschäftigt waren, wurden voll ausgenutzt. So müssen wir uns noch heute bei einigen, wenn auch nicht ganz freiwilligen Sponsoren bedanken, die uns erst eine halbwegs professionelle Geschäftsführung ermöglichten.
Die Penz mussten alle eine mit Adresse und Briefmarke versehene Postkarte mit auf die Sommerfahrt nehmen. Oftmals war dies für die Eltern das einzige Lebenszeichen ihrer Sprösslinge bei einer Großfahrt. Nicht, dass der Eindruck aufkommt, ich würde die heutigen Errungenschaften der Technik verteufeln, im Gegenteil! Ach, hätte ich damals nur ein Handy gehabt, als der gesamte Stamm im Brexbachtal vergebens auf den Reisebus wartete. Ich musste per pedes zum nächsten Dorf mit Telefonzelle marschieren, meine Münzen aufreihen, um die Reisefirma, Eltern und was weiß ich alles anzurufen. Im nahen Bauernhaus Geld gewechselt und weiter telefoniert. Missverständnisse und kein kompetenter Ansprechpartner erreichbar. Eltern machten mir das Leben zur Hölle. Irgendwie nach Stunden, doch noch ein Busunternehmen gefunden, das uns fahren wollte. Bin um Jahre gealtert, aber nicht verzweifelt, da es immer Kameraden gab, die mir durch geschicktes Verhalten den Rücken freihielten: Sie besorgten Essen, organisierten ein Geländespiel und mit einer Singerunde belustigten sie die Dorfbevölkerung, die uns unterstützte. Zusammenfassend kann man sagen, die Stammesarbeit war nur etwas anders, langfristiger, vorausschauender und spekulativer angelegt. Das Führungsteam musste sich blind auf die verteilten Aufgaben verlassen können – das hat natürlich nicht immer geklappt. Der Kommunikationsbedarf war auch geringer: keiner wollte zu jeder Zeit alle nötigen und unnötigen Informationen haben.
Heute hat jeder alle Infos – aber ob das ein Vorteil ist, wage ich zu bezweifeln. Klar sparen wir durch die neuen Medien, die Vernetzung und Tools wichtige Lebenszeit. Und wenn wir sie sinnvoll für eine bessere Gemeinschaft, die Weiterentwicklung der Gruppenarbeit und die Erziehung unserer Wölflinge und Sipplinge einsetzen, ja dann ist das Moderne wirklich ein Segen, ein Gewinn für uns alle. Ich bin davon überzeugt, dass das Führungshandbuch auch noch heute – so wie damals vor zwanzig Jahren – uns den Pfad zeigt. Auch wenn im Kapitel – Zeitgemäße Führung in unserm Bund- nicht von E-Mail, Chatten, Communitys, SMS oder ähnlichem die Rede ist. Schaut mal rein, rät euch
Mitreden!