Wer hätte das gedacht, ich bin Teil einer Jugendbewegung! Immer noch ein wenig durchgefroren, aber auch braungebrannt blicke ich sprachlos zurück auf das Lager auf dem Hohen Meißner. Weniger aus Ehrfurcht vor 100 Jahren Jugendbewegung, als vor Über raschung über diesen bunten Haufen. Was gibt es nicht plötzlich alles für komische Gestalten und Gruppen in Deutschland, die Feld, Wald und Wiese bevölkern. Freischar, Jungenschaft, Wandervogel, Zugvogel, Pfadfinderinnen und Pfadfinder und was es da noch alles im Zoo gibt. Gibt es eigentlich ein bestimmtes System, nach dem sich dies alles genau einordnen lässt?
Die gute alte Diskussion, ob wir jetzt zwingend Kluft tragen müssen, um uns eindeutig als Pfadfinder nach Außen hin zu zeigen, oder ob das Tragen einer Takelbluse auch schon »Pfadfinder genug« ist.
Bislang habe ich mich damit nie so richtig auseinander gesetzt. Mit ein bisschen Grübeln fällt mir aber schon ein, dass es da immer einen Richtungskampf gab zwischen den »Scoutisten« und den »Bündischen«. Den gab es früher sogar intern bei uns im Stamm: Die gute alte Diskussion, ob wir jetzt zwingend Kluft tragen müssen, um uns eindeutig als Pfadfinder nach Außen hin zu zeigen, oder ob das Tragen einer Takelbluse auch schon »Pfadfinder genug« ist. Auch in unserem Bund kann ich die Unterschiede sehen. Ob du jetzt lieber Takelbluse als Kluft trägst, muss nicht unbedingt etwas heißen, kann es aber. Ganz praktisch lässt sich der Unterschied natürlich aus der geschichtlichen Entwicklung erklären.
Die Geschichte hat in Deutschland nun mal auch in der Jugendbewegung gewütet und einiges durcheinander gebracht, daher vielleicht doch mal eine kleine Einordnung an dieser Stelle: Lager und Großfahrten, Abzeichen und Knoten, Kluft und Jugendarbeit, klar geregelte Hierarchien – das ist mehr so die Seite der Scoutisten. Fahrt und Haik, Musik und Gesang, Juja und Freiheit, in Freundschaft verbunden – da treiben sich die »Bündischen« rum. Hier sind auch die schwarzen Zelte zu Hause und der Ansatz, die Welt mit »jung-führt-jung« zu erkunden, mit einfachsten Mitteln. Die Scoutisten kommen aus der Militär-Ecke von Baden-Powell und sehen das Ganze weniger als Lebensgefühl sondern als pädagogischen Ansatz. Naja, klingt eigentlich nicht so richtig cool. Allerdings pflegen sie die Pfadfinderei auch als Handwerk und Event mit seinen eigenen Skills, dabei offen für alle! Was genau ist denn jetzt besser?
Was genau ist denn jetzt besser?
Also nochmal in Ruhe. Da gibt es die Alt-Hippies mit Federn am Hut, die sich seit mehr als einem Jahrhundert vor bürgerlichen Zwängen in den Wald flüchten und eine Gegenwelt aufbauen? Rebellische Gleichaltrige, die sich der bösen Welt der Er wachsenen entziehen. Romantische Weltflucht und wandernde Selbstbefreiung? Ein etwas elitärer Lebensbund? Auf der anderen Seite liest der Fähnlein Fieselschweif Fährten im Wald? Organisiert sich mit rituellen Übertritten? Unter dem strengen Regiment der Pfadfinder regeln werden kleine Menschen zu wer tvollen und pflichtbewussten Mitgliedern der Gesellschaft herangezogen? Zäh wie Schuhsohle, unabhängig von Geschlecht und Herkunft? Klingt irgendwie ziemlich idealtypisch – nur weder ideal noch typisch.
Und jetzt fällt mir auch endlich wieder ein, warum ich das Thema bislang kaum verfolgt habe: letztlich ist es doch völlig Latte! Bei mir gibt es Haik UND Lager, Juja UND Kluft, Musik UND Geländespiel und der Laden heißt ja auch nicht umsonst PfadfinderBUND. Der wirklich schöne Nachgeschmack des Meißnerlagers ist ja auch das große Gefühl der Gemeinsamkeit. Natürlich konnte ich den Leuten nicht in den Kopf gucken und auch auf den Köpfen sah es zum Teil ziemlich merkwürdig aus. Aber es war ein Meer schwarzer Zelte mit schmetternden Singer unden an Feuern, an denen ich mich nie lange fremd gefühlt habe. Also: Worum geht’s? Rucksack auf und ab über Feld, Wald und Wiesen – der zeitlose Spaß für Jung und Alt. In Gemeinschaf t etwas reißen und sich danach selber feiern, mit so wenig wie es dazu eben braucht.
Wenn wir alle gemeinsam auf der Welle dieses Lebensgefühls surfen können, kann der Graben doch so tief nicht sein. Daher sage ich mal: einfach von allem das Beste – wenn wir mal nicht alles richtig machen!
Mitreden!