Die Tische sind zu einem Rechteck gestellt, darauf liegen Mandarinenschalen, Süßigkeiten und Unmengen von Blättern, eine geradezu überwältigende Zettelwirtschaft herrscht auf jedem der zahlreichen Plätze. Ein weiteres Blatt geht herum. »Bin ich stimmberechtigt?« steht ein paar Menschen in der Runde ins Gesicht geschrieben. Es stehen Wahlen an. Jemand wird zum Wahlleiter gewählt – einstimmig natürlich. So kann es weitergehen. Was die bisherige Führung hinterlässt, ist fraglich. Wie immer finden es einige gut und einige nicht. So kommt es, dass sich niemand noch einmal zur Wahl stellen lassen möchte. Wie es dazu kam und warum? Aus Gründen.
Doch springen wir zeitlich etwas zurück. Mehrere Monate, vielleicht sogar ein bis zwei Jahre vor dieser Wahl wurde im Plenum gefragt, wer sich diesen Posten denn vorstellen könnte. Der ein oder andere aus der Runde wurde bereits gefragt und gebeten sich diesen Posten doch mal anzuschauen, mitzuarbeiten, reinzuschnuppern.
Anfangs ist die Motivation der Führung, jemanden für diesen Posten zu finden und anzulernen groß. Das über die Jahre gesammelte Wissen mit einer jüngeren Generation zu teilen, scheint eine große, aber schöne Aufgabe zu werden.
Doch schnell stellt sich Ernüchterung ein. Das Schweigen in der Runde ist in seiner Schönheit nur von der hässlichen Vorahnung, dass sich niemals jemand finden wird, zu übertreffen. Auch die angesprochenen Personen werfen mit Absagen um sich. »Echt keine Zeit«, »Ich kann das nicht« , »Ich bin da nicht der Typ für« und »Ne danke, der Job ist mir zu undankbar« .
Da ist es passiert: Undankbar – dieses Wort. Hat eigentlich schon mal jemand über dieses Wort nachgedacht? Wir benutzen es und werfen es den Menschen an den Kopf, die für uns Verantwortung übernehmen, uns helfen, wenn wir mal nicht mehr weiterwissen, die uns führen. Wir erklären ihren Posten für undankbar.
Betrachten wir das ganze Mal aus einer anderen Perspektive: Ein Führungsposten ist also undankbar? O. K., aber wie kommt das, wer ist das schuld? Ist es die Person, die führt, oder sind es diejenigen, die geführt werden wollen? Machen denn nicht die Menschen, die geführt werden, diesen Posten zu genau dem, was er ist?
Bevor also jeder von uns eine Führungsposition als undankbar betitelt, sollten wir darüber nachdenken, ob es nicht an uns und unserem Verhalten liegt, dass diese Position genauso ist.
Wir betrachten so vieles als selbstverständlich und denken uns, dass es ja die Aufgabe der Führung ist, genau das zu tun, was getan werden muss. Doch ein kleiner, aber wohl der wichtigste Teil des Wortes undankbar ist Dank. Aber reicht das eine Dankeschön am Ende der Amtszeit mit einer Schachtel Pralinen, einem Strauß Blumen und einem ernüchternden Tisch-Klopf-Chor? Es muss ja nicht immer so viel sein. Das Wort Dank ist in seiner Kürze so schön und oft auch so ausreichend, wie es nur sein kann.
Viel zu selten danken wir den Menschen, die sich für uns den Arsch aufreißen, und genau das macht ihren Posten zu dem was er dann ist — undankbar. Doch sagen wir danke und achten wir die Arbeit und Mühen derer, die sich den Arsch aufreißen, so machen wir ihren Posten zwar noch immer nicht zu einem leichten, aber dafür zu einem dankbaren.
Mitreden!