Dem Nachbar seine Nachbarn

Es sind Herbstferien und ich sitze zu Hause. Mir ist so langweilig, dass ich schon zum dritten Mal meine Mutter frage, wann es Essen gibt. Auch sie ist schon genervt, aber lässt mich in Ruhe. Ich starre zur Decke und ärgere mich, dass wir nicht in den Urlaub fahren. Noch ganze 8 Tage muss ich hier bleiben. Das Wetter ist schlecht, meine Freunde sind alle weg und lernen macht in den Ferien noch weniger Spaß. Meine Oma hat mir gestern irgendwelche Zeitschriften vorbei gebracht, aber hallo? Die sind doch was für Omas. Mein Vater kommt nach Hause, wir essen und meine Mutter berichtet ihm, dass ich den ganzen Tag nur r um sitze. Er kann das überhaupt nicht verstehen und hält mir eine Predigt über Freizeitgestaltung. Früher, ja früher waren sie immer draußen unter wegs, im Wald, auf den Feldern, mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Man, war das schön. Und heute, was macht die Jugend heute? Sitzt vorm PC, Fernseher oder macht gar nichts. Nur wenige würden was Sinnvolles tun. So wie unsere Nachbarin Sophie, die ist Pfadfinderin. Er schaut mich an und sagt vorwurfsvoll war um ich da nicht auch wäre. Hat er sie noch alle? Pfadfinder? Dixi-Klos, draußen schlafen, selber kochen und so. Nie im Leben, ich mach mich doch nicht dreckig. Sport mag ich auch nicht. Ich begegne Sophie auf der Straße. Sie hat diese komische Kluft an und einen großen Rucksack dabei. Früher haben wir immer was zusammen gemacht. Aber jetzt ist sie mir zu öko. Ich will wissen wohin sie geht. Sie antwor tet, dass sie mit ihrer Sippe einen Haik macht. Haik? Naja, wie auch immer, sie ist also immer noch auf dem Trip und wird mir in den Ferien keine Gesellschaft leisten. Abends hat mein Vater eine Überraschung für meine Familie. Wir müssen alle ins Wohnzimmer und uns hinsetzen. Hinter seinem Rücken holt unser Vater einen Br iefumschlag her vor. Ich schrei auf… Flugtickets? Er lacht. Nicht ganz, sagt er, wir fahren zum Campingplatz. Meine Familie freut sich, ich bin enttäuscht. Jeder Widerstand ist zwecklos. Auf dem Campingplatz ist es kalt und es regnet. Meine Elter n haben sich ein Wohnmobil gemietet. Immerhin, ich muss nicht im Zelt schlafen. Das kann ja was werden. Neben uns ist noch eine Familie mit Kindern in unserem Alter. Unsere Eltern freunden sich auch umgehend an und unsere Tage sind ver plant. Wandern, Tierpark, paddeln, Lagerfeuer und Stockbrot. Die fünf Tage verfliegen und ich falle abends immer wie tot in mein Bett und schlaf direkt ein. Wieder in der Schule müssen wir kurz von unseren Ferien erzählen. Mallorca, Afrika, Ostsee… zum Glück war ich auch weg und meine Ferien waren die besten Ferien die ich je hatte. Doch irgendwie klingen meine Ferien ganz ähnlich wie die von Sophie. Die Pfadfinder scheinen gar nicht so ganz anders zu sein wie wir.

Online ist dir nicht retro genug? Kein Problem, du findest den Artikel auch im haddak 2/2013 auf Seite 40.

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