Als junger Redakteur wünscht man sich in der Regel nichts sehnlicher, als bei einem der großen Verlage Deutschlands die Luft der Druckertinte riechen zu dürfen und den inspirierenden Geist der erfahrenen Redakteure zu fühlen. Ich hatte die große Ehre, ein halbes Jahr ein Praktikum bei auto motor und sport (im Folgenden AMS genannt) machen zu können. Ich erzähle euch hier von meinen Erfahrungen wie es in einer großen Redaktion ist und was man beachten sollte, um den Verstand nicht zu verlieren.
Die Redaktion einer so bedeutenden Zeitschrift stellt man sich durchstrukturiert und durchgeplant vor, so zumindest meine Vorstellung. Diese wurde aber innerhalb der ersten fünf Minuten nach meiner Ankunft am ersten Arbeitstag zunichte gemacht. Nach anfänglicher Verwirrung, wer denn für mich zuständig und wo denn mein Arbeitsplatz ist, hat sich schnell alles geklärt. Meine erste Euphorie ist jetzt nur noch dadurch zu steigern, dass ich mein eigenes Büro im fünften Stock, dem höchsten des Gebäudes, mit Ausblick auf Stuttgart bekomme. Eigentlich ist meine zugehörige Redaktion im vierten Stock, aber »hier oben ist es ruhiger und da kann man besser schreiben« erklärt mir Michael, mein neuer Kollege, der neben AMS auch für AUTO Straßenverkehr schreibt (im Folgenden AUTO genannt), was ich in Zukunft auch regelmäßig tun werde.
Mein Arbeitstag fängt um neun Uhr morgens an, sehr human, wie ich finde, und endet eigentlich gegen 17:00 Uhr. Aber das werde ich im nächsten halben Jahr nicht öfter als fünf Mal schaffen. Täglich findet um 10:00 Uhr eine Redaktionssitzung statt, bei der besprochen wird, wie weit wir mit den jeweiligen Heften sind, die gerade hergestellt werden und bei wem nachgehakt werden muss, weil er oder sie zu langsam ist.
Meine ersten Aufgaben sind das Texten von kleinen Nachrichten für beiden Zeitschriften. Nicht mehr als zehn Zeilen im Heft, was ungefähr 500 Zeichen, inklusive Leerzeichen, sind. Später werden erste Sitzproben von neuen Autos und kleinere Service-Berichte hinzukommen.
Grundsätzlich gibt es in der Redaktion mehrere Resorts. Ich bin eigentlich Praktikant des Resorts Test und Technik, doch irgendwie schreibe ich viel mehr Service-Berichte. Die Übergänge, so wird mir schnell klar, sind da fließend. Man ist als Redakteur nicht zu 100 Prozent einem Resort zugeteilt, auch nicht bei einer so großen Zeitschrift. Hier hilft jeder jedem und jeder tut beziehungsweise schreibt das, was er oder sie am besten kann. Ich schreibe Service-Berichte über den 100-jährigen Geburtstag der Ampel, über die Beklebung von neuen Fahrzeuge, Erlkönige genannt, über den Innenraum eines neuen Autos und so weiter.
Nach ein paar Wochen ist die anfängliche Euphorie abgeschwächt und ich realisiere, dass ein Journalist wirklich keine schönen Arbeitszeiten hat. Ich darf mittlerweile auf Testfahren mitkommen und auch schon eigene Sitzproben schreiben. Letzteres läuft dann in der Regel wie folgt ab: Erst kommt der Termin: »Max, kannst du morgen nach München zu BMW, die haben für uns einen Fototermin mit dem neuen Zweier.« Die Frage ist rhetorischer Natur und ein Ablehnen kommt, gerade als Praktikant, nicht in Frage. Ich will schließlich einen guten Eindruck hinterlassen. Der nächste Schritt ist dann, dass ich das, was bis zum Abend des folgenden Tages zu schaffen ist, heute schaffe. Das klappt natürlich nie, denn ich muss mich auch noch ausführlich über den
neuen Zweier BMW informieren, damit ich dem BMW-Mitarbeiter kluge Fragen stellen kann. Der Arbeitstag endet also, mit reichlich Lesestoff für Heimweg und zu Hause im Gepäck, gegen 21:00 Uhr. Den nächsten Tag verbringe ich damit auf einen Testwagen zu warten damit ich total gestresst nach München fahren kann. Der Termin läuft in der Regel gut und nach Plan. Nach ein paar Stunden geht’s wieder Richtung Büro, wo der Bericht, wie es sich in dem neuen Wagen sitzt, noch für die Homepage geschrieben werden muss. Ach ja, und nicht zu vergessen die liegen gebliebene Arbeit. Also wieder einmal bis mindestens 21:00 Uhr im Büro. »Aber doch sicher mit Pausen, oder?«, werde ich von Freunden und Familie gefragt. »Nicht direkt«, antworte ich. Ich darf während des Termins bei BMW etwas Essen und Trinken, darf natürlich wenn ich wieder im Büro bin Pausen machen wie ich will, so lange am Ende des Tages die Arbeit geschafft ist.
Nachdem mir das ein paar Mal passiert ist, frage ich Kollegen, wie sie mit dem Stress und dem unregelmäßigen Arbeitsalltag umgehen. »Du gewöhnst dich dran«, schallt es aus allen Büros und die Redakteure grinsen leicht und verziehen sich mit ihrem Kaffee in ihre schallisolierten Höhlen zurück. Ich bekomme mit, dass ich bei weitem nicht der einzige bin, der bis spät in die Abendstunden noch im Büro sitzt. Neben den normalen zweiwöchentlichen Publikationen bringt AMS regelmäßig auch Sonderhefte raus. Da muss parallel zum alltäglichen Wahnsinn auch noch dran gearbeitet werden.
»Klar, du hast manchmal echt anstrengende Tage und Wochen, wo du Familie und Freunde kaum siehst, aber dann hast du auch ruhige Wochen, wo es ruhiger ist als auf dem Amt.«
Mich interessiert, wie viele der Kollegen Familie, Freunde und Arbeit unter einen Hut bekommen und die Antwort gibt mir Hoffnung. »Klar, du hast manchmal echt anstrengende Tage und Wochen, wo du Familie und Freunde kaum siehst, aber dann hast du auch ruhige Wochen, wo es ruhiger ist als auf dem Amt.« Von den ruhigen Wochen habe ich noch nichts mitbekommen, aber das kommt bestimmt noch.
Die Motor Presse hat ein Ausbildungsprogramm, an dem auch ich während meines Praktikums teilnehmen soll. Von Video-Produktion über Moderationsfähigkeiten bis hin zu einem Reportagen-Schreibkurs ist alles dabei. Nicht zu vergessen aber auch ein Projekt, dass jeder Jahrgang selbst gestaltet und entwickelt. Auch daran bin ich beteiligt, und es benötigt nicht wenig Arbeitszeit. So kommt es, dass neben den Berichten, Nachrichten, Tests und Reportagen, die ich schreiben darf, noch ein paar weitere Aufgaben auf mich warten. Gegen Ende des Jahres wird es Zeit für die Präsentation des Projektes vor der Geschäftsführung der Motor Presse.
Die Tage draußen in der Welt werden kürzer und meine Arbeitstage werden länger. Ich bin mittlerweile nicht mehr erst um Neun im Büro. Vor Acht schaffe ich es aber trotzdem nicht, so gerne ich auch würde. Gerade in der finalen Vorbereitung des Projektes sitzen wir im Präsentationsteam nicht selten bis nach Mitternacht im Büro und diskutieren. Das einzig Beruhigende daran? Ich mache hoffentlich einen guten Eindruck. Und als richtiger Redakteur betrifft mich zumindest das Projekt nicht mehr – falls ich es soweit schaffe.
Aber so schwer und lang die Tage auch sind, es gibt auch viele Lichtblicke. Die Aufgaben, die ich mir suchen darf, werden anspruchsvoller und ich lerne mehr als während der vergangenen vier Semester im Studium. Die Kollegen werden immer netter und erkennen mich als Teil der Redaktion an. Da machen mir auch die 16-Stunden-Arbeitstage nicht mehr so viel aus. Ich werde immer häufiger gefragt ob ich nicht diese oder jene Geschichte übernehmen möchte, und wenn es meine Planung zulässt, sage ich zu. Selbst das anspruchsvolle Ausbildungsprogramm beflügelt mich. Der letzte Termin ist bei einem der Kollegen von AMS und wir lernen das Schreiben von Reportagen. »Ihr dürft über alles schreiben, nur nicht über 300 Zeilen«, sagt er bestimmend und hebt ermahnend den Finger. »Schreiben ist wie Kino im Kopf.« Den ganzen Tag hören wir Weisheiten und lernen von einem der Großen. Vor lauter Ehrfurcht sitzen wir wie gebannt in unseren Stühlen.
»Schreiben ist wie Kino im Kopf.«
Das Ende meiner Zeit bei der Motor Presse und AMS ist nah. Fast alle meine Geschichten sind geschrieben, es stehen keine Fototermine oder Testfahrten mehr an und das Projekt wurde erfolgreich vorgestellt. Das Fazit meines halben Jahres als Redakteur und richtiger Journalist ist klar: Auch wenn dieser Beruf viel Arbeit und wenig Freizeit bedeutet, so macht es unheimlich viel Spaß und ich habe meinen Traumberuf gefunden. Wer sich also für den Berufsweg des Journalisten interessiert, der sollte sich nicht von langen Arbeitstagen und schlechter Bezahlung abschrecken lassen. Man lernt unheimlich viele und interessante Menschen kennen, lernt immens viel und kann seine eigenen Grenzen immer wieder neu ausloten.
Ach ja, und wenn du dich mal als Journalist probieren willst, dann leg einfach los – Schreiben ist nicht schwer. Melde dich mit deinem Text oder deiner Idee einfach bei der haddak-Redaktion und wir helfen dir. Vielleicht findest du deinen eigenen Artikel dann schon in der nächsten Ausgabe.
Mitreden!