Ich möchte hier noch einmal die Diskussion aus den haddaks von 2010/11 aufgreifen. Unter den Titeln »Andere Ufer« und »Schwul im Bund – kein Thema?« wurde über die Situation beziehungsweise Präsenz der homosexuell orientierten Pfadfinder im Bund diskutiert.
Ein Standpunkt dieser Diskussion war etwa die Aussage, dass Homosexualität kein Thema und als Diskussionsthema absolut kontraproduktiv sei. »Die Frage, ob homosexuelle Pfadfinder totgeschwiegen werden, […] stellt die homosexuellen Pfadfinder als unnormal hin; als Menschen, denen eine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden muss.« Gerade diese »besondere« Aufmerksamkeit sollte laut dem Autor ja nicht bestehen, da die meisten Homosexuellen sich vollkommen normal und wie jeder andere in die Gesellschaft integrieren wollen.
Ich muss jedoch an dieser Stelle Einspruch erheben. Der Autor macht hier nämlich einen leider weitverbreiteten Denkfehler. Ich selber habe ihn bereits bei einigen meiner Freunde erlebt. Ich sage das als Schwuler, der diese und ähnliche Diskussionen und Gespräche bereits im heterosexuellen Freundeskreis besprochen hat. Es geht bei diesem Thema nämlich nicht um reife Erwachsene, sondern um unsichere Jugendliche.
Lasst uns bitte nicht vergessen, wer wir sind: Wir sind Pfadfinder, eine Jugendorganisation. Wir kümmern uns und unterstützen Kinder und Jugendliche auf ihrem Pfad der eigenen Entwicklung, oftmals bis ins Erwachsenenalter. Die im haddak geführte Diskussion wurde von Leuten gehalten, die diesen Pfad bereits durchschritten haben, beziehungsweise die Zeit der Pubertät bereits hinter sich gebracht haben. Menschen, denen ihr gesellschaftlicher Standpunkt in der Regel bereits klar ist und die ihn zu vertreten wissen.
Aber was ist denn nun mit unseren Sipplingen? Was ist mit den jungen Menschen, die wir auf ihrem Weg unterstützen wollen und die (bitte lasst uns keinen Illusionen hingeben) nun mal diese Diskussion nicht verfolgen, obwohl ja gerade sie Bestandteil dieser Gemeinschaft sind?
Unsere Sipplinge pubertieren. In dieser Zeit kommt auch langsam die Frage nach der Sexualität auf. Ein Sippling, der zu seinem Sippenführer kommt, um ihn wegen der Unsicherheit über seine homoerotischen Gefühle anzusprechen und als Antwort bekommt: »Homosexualität ist bei uns im Bund kein Thema«, wird damit nur noch weiter verunsichert. Denn wir scheinen nicht mal bereit für ein einfaches Gespräch zu sein. Der Satz »Homosexualität ist kein Thema« ist ein zweiseitiges Schwert und kann allzu schnell zu Missverständnissen führen. Wir verunsichern den Sippling damit nur noch mehr, denn ein solcher Satz wirkt geradezu ausweichend, ja sogar abweichend dem Sippling gegenüber. Aber wenn nicht mit uns, mit wem soll er sonst reden?
Unsere Gemeinschaft ist nicht einfach eine Gemeinschaft, wir sind auch ein Kreis von Freunden. Und wenn man nicht mit Freunden sprechen kann, wer bleibt einem dann noch?
Hinzu kommt, dass auch der Sippenführer selbst Gefahr läuft, mit der Situation überfordert zu sein. Ein typischer heterosexueller junger Mann hat sich in der Regel nie mit einer solchen Situation konfrontiert gesehen. Auch die Frage nach seiner Sexualität hat er sich in der Regel nie konkret gestellt. Er kann daher oftmals nicht nachvollziehen wie sich ein Junge bzw. Mädchen fühlt, das Angst davor hat, eventuell als unnormal abgestempelt und nicht in die Gesellschaft integriert zu werden.
»Homosexualität ist im Bund ein Thema!« Es ist ein Thema allein aus dem Grund, damit wir es jungen homosexuellen Menschen näher bringen können und selber darauf vorbereitet sind. »Allzeit bereit! « Wir unterstützen sie so in ihrer Entwicklung, wie wir es auch mit allen anderen Jugendlichen machen. Das Aufwerfen der Frage und der Diskussion führt zu keiner Sonderstellung, sondern hilft langfristig nur bei der Integration in unseren Bund und in die Gesellschaft, sodass wir letztlich tatsächlich sagen können, dass die Homosexualität an sich für die Mitglieder im Bund vollkommen in Ordnung ist und in diesem Kontext dann auch »kein Thema« ist.
Arbeitskreis Umgang mit Sexualität (AK UmS)Der Arbeitskreis Umgang mit Sexualität entwickelt im Auf trag der Bundesführung Schulungsmodule zum Thema Sexualität und Prävention für alle Schulungsangebote des Bundes. Darüber hinaus verstehen wir uns als Ansprechpartner für Führerrunden, die sich mit dem Thema Sexualität und Prävention beschäftigen möchten. Wir möchten eine Kultur schaffen, in der so offen über Sexualität gesprochen wird, dass für Grenzverletzungen kein Raum ist. Bei Fragen könnt ihr uns über ak-ums@dpbm.de erreichen. |
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