Der Versuch eine Kuschel-App zu testen bringt diffuse Gedanken über den DPBM als Partnerbörse hervor.
Auf dem Weg zum Redaktionstreffen überlege ich noch, ob ich das Datenvolumen meines mobilen Endgeräts durch den Download der Cuddlr-App strapazieren möchte, entscheide mich aber dagegen. Ein flüchtiger Blick über die Bewertungen im Cyber-Store verrät mir, dass die Community mit dem Prinzip durchaus zufrieden ist.
Mit großer Vorfreude sitze ich also mit den Redakteuren des haddak am Tisch und berichte von meiner Idee: »Es gibt eine neue App mit der man sich zum Kuscheln verabreden kann. Das soll aber keine Partnerbörse sein, wie Tinder oder so. Viel eher kann man sich da einfach verabreden, um dem Bedürfnis nach Nähe und Nächstenliebe ein wenig nachzukommen.« Hört sich ganz witzig an, findet die Redaktion. Passt ja irgendwie auch ganz gut zu den Pfadfindern. Denn so ganz ohne Nähe und Liebe läuft das bei uns ehrlich gesagt ja auch nicht. Meinen Vorschlag, die Cuddlr-App ein paar Tage auszuprobieren und darüber zu schreiben, nimmt die Redaktion gerne an.
Denn so ganz ohne Nähe und Liebe läuft das bei uns ehrlich gesagt ja auch nicht.
Zu Hause angekommen stürze ich mich in den Cyber-Markt und suche die App. Der erste Vorschlag ist mehr oder weniger Schwachsinn: Ein sinnbefreites Programm, bei dem man Katzen durch das Display streicheln soll. Ok, vielleicht habe ich den Namen ja falsch geschrieben. Der Check bestätigt meine Tippkünste und lässt mich weiter zum nächsten Treffer scrollen. Oh Gott, Tinder. Mein Vorschlag ist, oder war, also doch entgegen meiner Hoffnung eine Mischung aus Sinnlosigkeit und Partnerbörse. Das erklärt vielleicht auch, warum es die App jetzt nicht mehr gibt. Recherchen in anderen Märkten bestätigen meine Befürchtung: Weg, gelöscht, die sind offline gegangen.
Leere. Nichts als Leere füllt mein deprimiertes Schreiberherz und bringt mich auf die verrücktesten Ideen: Vielleicht sollte ich Tinder oder Elitepartner.de mal ausprobieren. (Wenn Ihr, liebe Leser, so einen Test haben möchtet, lässt sich das sicher einrichten.) Vielleicht hänge ich meinen Bleistift an den Nagel. Oder ich gehe einfach in die Stadt und versuche Menschen zum Kuscheln aufzufordern. Doch das erscheint mir alles relativ bis sehr sinnbefreit und vor allem sehe ich keinen Bezug zur Pfadfinderei.
Es kommt in mir die Frage auf, wozu wir diese App als Pfadfinder eigentlich brauchen. Denn was birgt mehr Nähe und Nächstenliebe als das freundschaftliche Teilen eines Schlafsacks, wenn der eigene kaputt oder zu kalt ist? Was hat mehr Romantik, als zusammen auf einem Fell oder unter einer Decke, dem Lagerfeuer beim Knistern zuzuschauen? Der Blick nach Rechts oder Links auf den Nächsten ums Feuer ist doch tausend Mal besser als das Wischen über das Display, um die nächste Tinder-Hackfresse zu beäugen und ein oberflächliches Urteil zu fällen.
Alle paar Wochen fahren wir mit unseren Freundinnen und Freunden auf Fahrt, sind mit Gleichgesinnten auf engstem Raum unterwegs. Egal ob im Stamm, Ring oder Bund, jedes unserer Lager ist, ob wir es wollen oder nicht, eine riesige Partnerbörse. Wir erleben auf dem Bundes Singe Fest jedes Jahr aufs Neue wie wir uns, während wir uns selbst feiern, in einer solchen riesigen Partnerbörse bewegen. Tinder und Konsorten können da bei weitem nicht mithalten. Die Effizienz eines Pfadfinderlagers steht der einer digitalen Partnerbörsen in nichts nach. Denn wer die entstandenen Beziehungen oder vergangenen Techtelmechtel im DPBM versucht zu zählen, dürfte das selbst bis zur nächsten Sonnenfinsternis (3. September 2081) nicht geschafft haben.
Stellt sich nur noch die Frage, was eigentlich besser ist. Aber dieses Urteil vermag jeder selbst für sich fällen. Ich für meinen Teil hoffe mal darauf, dass die Cuddlr-App doch nochmal auf den Markt kommt, damit ich sie für euch testen kann.
Mitreden!