Ganz vorne ist da eine Legende. Es gab drei Brüder, die sich aufmachten, um die slawischen Völker zu gründen. Sie machten sich in drei verschiedene Richtungen auf: Rus und sein Stamm trieb es nach Osten, Czech wanderte Richtung Süden und der dritte Bruder Lech, um den geht’s hier, den zog es nach Westen, wo er sich im Flachland, wo die weißen Adler hausen, niederließ und eine Stadt gründete, deren Wappenzeichen (welches jetzt das Wappenzeichen Polens ist) ein weißer Adler ist. Genaueres als diese hübsche Geschichte kann ich nicht sagen, es gibt aus dem »dunklen Jahrhundert«, nämlich dem zehnten, kaum historische Quellen.
Im Mittelalter ging es ganz schön turbulent zu, das metaphorisch frisch geborene Polen lernte Laufen, wurde christianisiert, es wurden nacheinander Könige mit lustigen Namen gekrönt, da war Boleslaus der Tapfere, der leider auch ein Jahr nach der Krönung verstarb, dann Kasimir der Erneuerer, der nach einem tschechischen Angriff auf heilige Reliquien mit seinem königlichen Hof nach Krakau umzog, Boleslaus Schiefmund der Dritte, der nach Kämpfen mit Deutschland große Teile Schlesiens und Pommern zu Polen gewann (Merken! Das mit Schlesien und Pommern war noch Jahrhunderte danach eine ganz heiße Geschichte). Auf ein kleines Tief, in dem Mongolen im 13. Jahrhundert Südpolen zerstörten, folgte glücklicherweise das goldene Zeitalter des Mittelalters in Polen unter Kasimir dem Großen und Dritten. Die berühmte Krakauer Universität wurde gegründet, eine Allianz mit Litauen auch, nämlich um dem Feind Deutschland die Stirn bieten zu können. Das taten sie auch gehörig im Jahre 1410 bei der wohl größten mittelalterlichen Schlacht. Es ging um Preußen (auch merken!) und Danzig, und Polen gewann die Herrschaft darüber.
Das mit Schlesien und Pommern war noch Jahrhunderte danach eine ganz heiße Geschichte!
Weiterhin kamen und gingen weitere Könige mit weiteren lustigen Namen – Sigismund Wasa der Dritte und sein Sohn Ladislaus, die Polens machtpolitischen Hochpunkt miterlebten: Mit der Ukraine, damals noch Teil Polens, und dem Herzogtum Litauen zusammengeschlossen, bildete Polen den größten Staat Europas. Außerdem wurde Sohn Ladislaus nach erfolgreicher Entthronung des russischen Zaren selbst Zar von Russland. Das war um 1600.
Eine schwere Zeit begann für Polen. Eine Menge teurer Kriege, vor allem gegen Schweden und die Türkei, wurden geführt, Gebiete hin- und hererobert. Es kostete Polen viel Geld und weit über die Hälfte der Bevölkerung und zum Schluss selbst die Unabhängigkeit: Polen wurde geteilt und von Russland, Preußen und Österreich besetzt. Das war Ende des 18. Jahrhunderts. Sie führten auch noch weiterhin untereinander einige Schlachten um die Aufteilung, bis Napoleon 1807 aus Frankreich kam, um in Russland einzumarschieren. Mit Hoffnung auf seine Hilfe in ihrem Unabhängigkeitsplan unterstützten die Polen Napoleon, wodurch letztlich auch das teilweise unabhängige Herzogtum Warschau gegründet wurde. Warschau geriet jedoch nach Napoleons Niederlage in Waterloo in russische Hände.
Wir kommen in der Chronologie zum Ersten Weltkrieg. Da war das zerteilte Polen höchst interessant für die Mittelmächte, ein Lieblingsstreitthema von Deutschland, Russland und Österreich sowie von den USA, die einzig grosszügig für die Unabhängigkeit Polens plädierten. Im heillosen Durcheinander, wie dem Zusammenbruch der deutschen Westfront und der russischen Oktoberrevolution, ergriff Polen geistesgegenwärtig die Gelegenheit und erreichte endlich mit Hilfe der USA die Unabhängigkeit. Das war 1918.
Es verging verständlicherweise erstmal eine ganze Zeit, bis sich die neue, unabhängige Republik nach dem Krieg sortiert hatte. Es gab lange Zeit Unklarheiten wegen der Grenzen. Deutschland und Polen führten auch nach dem Ersten Weltkrieg weitere Kämpfe um Schlesien und Preußen (gemerkt?), teilten die Gebiete einigermaßen auf, und immer noch nicht richtig stabil schlingerte die junge Republik in den Zweiten Weltkrieg.
Hitlers Überfall auf Polen 1939 war der Auftakt des Zweiten Weltkriegs. Die Sowjetunion (ehemals Russland) reagierte wie abgesprochen ebenfalls mit einem Angriff auf Polen. Hitler von Westen, Stalin von Osten – Polen war innerhalb eines Monats besiegt. Es war eine harte Zeit für Polen, das schon wieder aufgeteilt wurde. Millionen unschuldiger Polen verloren Hab und Gut und Leben. Aufstände wie der Warschauer Aufstand 1944 wurden brutal unterdrückt und Polens Kräfteressourcen wurden vom nationalsozialistischen Deutschland ausgebeutet. Mit dem Kriegsende 1945 wurde Polen wiederum von der sowjetischen »Roten Armee « besetzt. Aus dem Kräftemessen während des Kalten Krieges zwischen der Sowjetunion und den USA entstand der »Warschauer Pakt«: als Antwort auf die westliche NATO schlossen sich die sozialistischen Länder (u.a. auch Polen und die DDR) unter Führung der Sowjetunion zusammen.
Der polnischen Bevölkerung missfiel der durch die Sowjetunion aufgedrückte Kommunismus immer mehr, vor allem als Anfang der achtziger Jahre das Militär das Sagen hatte, Aufständische bekämpfte und den Kriegszustand ausrief. Die Lage wurde richtig brenzlig, die Versorgung schlecht und auch die kommunistische Regierung erkannte, dass Änderungen angebracht waren. Die politischen Gefangenen wurden freigelassen und tatsächlich eine Volksabstimmung eingeleitet – und siehe da: kein Mensch stimmte für die kommunistische Regierung. »Solidarnosc« hieß die neue, vom Volk mehrheitlich gewählte Regierungspartei. Sie war eine freie Gewerkschaft, die aus Arbeiterstreiks entstand. Diese Hundertachtziggradwende des Systems machte ganz Europa aufmerksam, sie ging dem Fall der Berliner Mauer und dem des Kommunismus in Europa voran. Der Kalte Krieg war beendet, Polen beteiligte sich eifrig an Europas Vereinigungsprozess.
Es ist bewundernswert, wie Polen trotz harter Schicksalsschläge in der Geschichte dennoch seine Kultur wahren konnte und sich zu einem demokratischen, starken und lebensfrohen Volk entwickelt hat. Zu sämtlichen ehemaligen Freund- und Feindstaaten und Ex-Bündnispartnern pflegt Polen mittlerweile ein freundschaftliches Verhältnis und ist als souveräner Staat in internationale Beziehungen eingebunden.
Mitreden!