Auf dem Bundesthing 2019 wurde der Antrag der AG Gender, den Namen unseres Bundes von „Deutscher Pfadfinderbund Mosaik“ in „Deutscher Pfadfinder_innenbund Mosaik“ zu ändern, abgelehnt. Mich und viele andere in diesem Bund beschäftigt dieses Ergebnis. Ich möchte diesen Kommentar nutzen, um einige meiner Gedanken zu teilen. Die Argumente für eine gendergerechtere Sprache wurden u.a. im letzten haddak dargelegt (haddak 2/2019 „Gendern – Muss das sein?“) und lassen sich in meinen Augen ganz kurz als ein Bestreben nach Gleichstellung durch Sichtbarkeit aller zusammenfassen. Diese Argumente haben scheinbar auch viele überzeugt, da das Bundesthing entschieden hat, den Text innerhalb der Bundesverfassung zu gendern. Über die genauen Beweggründe, warum der Bundesname dennoch beim Alten bleibt, kann ich nur spekulieren. Ich glaube aber, dass es größtenteils an der Sorge über den Aufwand und die Umgewöhnung, die eine Änderung mit sich bringt, liegt.
Die Umgewöhnung meines eigenen Sprachgebrauchs kostet mich bis heute viel Nachdenken und große Mühe. Oft geht sie einher mit der Korrektur meiner Wortwahl. Dies spielt sich allerdings nicht nur in mir selbst ab, sondern immer wieder auch in Gesprächen und teilweise anstrengenden Diskussionen. Ich bin froh, wie weit ich bei mir selbst und zusammen mit anderen gekommen bin. Ein Beispiel aus dem Pfadfinder_innenkontext: Die Gruppenführungsschulung im Ring Kölner Bucht hat ihren alten Namen Sippenführerschulung offiziell schon länger und mittlerweile auch im alltäglichen Gebrauch innerhalb des Ringes immer weiter hinter sich gelassen. Zudem habe ich das Gefühl, dass auf der Schulung auch über diesen Namen hinaus die Sensibilität gegenüber einer (gender-)gerechteren Sprache enorm gewachsen ist. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass ich mich in diesem Team noch wohler fühle. Denn wenn Teamer und Teamerinnen heute mit Selbstverständlichkeit von „den Teamenden“ sprechen, freue ich mich. Gerade bei denjenigen, von denen ich weiß, dass die Umstellung vom Plural „Teamer“ ihnen Mühe bereitet hat und sie der Notwendigkeit einer solchen Umstellung vor einiger Zeit vielleicht noch mit Skepsis begegnet sind. Ich freue mich aber nicht einfach nur, sondern merke konkret, dass ich mich als diejenige, die ich bin, in diesem Fall als Teamerin, wertgeschätzt fühle.
Ich schreibe hier von einer gerechteren Sprache, nicht von tatsächlicher Gendergerechtigkeit. Denn mit dem Nachdenken darüber, wie geschlechtergemischte Gruppen benannt werden können, damit alle Beteiligten sich angesprochen fühlen, ist es noch nicht getan. Was ist mit zusammengesetzten Worten wie der Pfadfinderstufe? Gerade in solchen Fällen erwische ich mich selbst dabei, wie ich auch in unserem Mädchen- und Frauenstamm vom Pfadfinderversprechen spreche. Genauer gesagt: Lange habe ich solche Begriffe gar nicht hinterfragt und unreflektiert verwendet.
Auch der Pfadfinder_innenbund ist ein solches zusammengesetztes Wort, bei dem mich die Umstellung Mühe kostet. Ich will nicht ausschließen, dass, auch wenn ich schon von Pfadfinder_innen geredet hab, der DPBM bei mir noch lange ein Pfadfinderbund war. Und trotzdem habe ich mich diesem zugehörig gefühlt. Dieses Zugehörigkeitsgefühl ist nach der Entscheidung des Bundesthings, den Antrag der Namensänderung abzulehnen, ins Wanken geraten. Das hätte ich so nicht erwartet, da ich ja seit vielen Jahren im DPBM bin und vermutlich in den meisten dieser Jahre den Namen nicht hinterfragt habe. Allerdings macht das Entscheidungsergebnis mir erneut deutlich, wie wichtig mir Sichtbarkeit und Repräsentation beispielsweise von Frauen ist.
Ich fühle mich nach dieser Entscheidung als Frau, als Pfadfinderin im DPBM, weniger sichtbar und weniger wertgeschätzt. Das mag eine unproduktive, emotionale Reaktion sein. Trotzdem habe ich mich entschieden, diese Reaktion zu teilen, weil miteinander reden besser ist, als sich nur zu ärgern.
Ich kann verstehen, wenn das Leuten nicht so wichtig ist. Ich kann auch annehmen, wenn das Leuten schlicht egal ist. Was ich nicht verstehen kann, ist, warum ein Antrag, der einigen so wichtig und anderen vielleicht egal ist, nicht angenommen wird. Ein Teil des Ergebnisses ergibt sich auch aus den Regeln, mit denen das Bundesthing als höchstes entscheidungstreffendes Organ dieses Pfadfinder_ innenbundes Entscheidungen trifft. Denn mehr als die Hälfte (28 von 50 Stimmen) derjenigen, die uns alle in diesem wichtigen Gremium vertreten haben, haben für eine Namensänderung gestimmt. Für eine Satzungsänderung (in der der Name ja festgehalten ist) wird allerdings eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen benötigt.
Sprache ist immer ein Abbild der Realität und gleichzeitig formt sie Realitäten. Mir ist wichtig, dass wir anfangen, über diese Realitäten zu reden und sie zu hinterfragen. Eine ganz konkret zu benennende Realität ist: Es wurde noch nie eine Frau zur Bundesführerin gewählt. Eine andere, die ich auf diesem Bundesthing beobachtet habe, bezieht sich auf die Verteilung der Redebeiträge: Ich habe bei vier Tagesordnungspunkten, die eine inhaltliche Diskussionen beinhalteten, mitgezählt, wie viele Beiträge von Frauen und wie viele von Männern gekommen sind.
Das Ergebnis bei diesen vier TOPs: Im Durchschnitt wurden 76,5% der Wortmeldungen von Männern beigetragen. Dieser hohe Wert zeigt also, dass Frauen deutlich weniger zu Wort kommen, obwohl sie zwischen 40 und 45% des Bundes ausmachen. Wichtige Frage: Wird dieser große Anteil des Bundes denn im wichtigen Organ Bundesthing repräsentiert? Also waren auch ungefähr 40- bis 45% derjenigen, die sich im Bundesthing zu Wort melden konnten, Frauen? Sogar deutlich mehr: 61% der Anwesenden waren Frauen und trotzdem gab es einen Tagesordnungspunkt, bei dem nur 14% der Redebeiträge von Frauen kamen.
Diese zwei Aspekte zeigen exemplarisch, dass eine Ungleichheit besteht. Warum die so besteht und wie das geändert werden kann, sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Ich halte einen Diskurs über die offenen und versteckten Ungleichheiten für notwendig, damit ich und viele andere sich in diesem Bund wieder wohlfühlen können. Meine Ideen, wie diese Probleme angegangen werden können, erstrecken sich von einem Austauschtag für FLINT-Personen (1) im Bund, über Meme-Aktionen auf
Toilettentüren, quotierte Redelisten (2), bis zu einer institutionellen Etablierung in Form einer Gleichstellungsbeauftragten.
(1) FLINT steht für Frauen, Lesben, Inter-, nicht-binäre und Transpersonen.
(2) Diese Methode wird in vielen Gruppen und auch Parteien genutzt, um einer ungleichen Redebeteiligung wie in unserem Bundesthing entgegenzuwirken. Das Prinzip ist, einfach zusammengefasst: In großen Gruppendiskussionen wird durch ein_e Moderator_in (wenn möglich) abwechselnd Männern und Frauen das Wort erteilt.
Mitreden!