Das Thema Bundeslied ist in letzter Zeit sicherlich eines der größten und wichtigsten Themen in unserem Bund. Mir gehen zu diesem facettenreichen Thema tausend Gedanken durch den Kopf, einen roten Faden dort durchzuschlängeln ist nicht ganz einfach. Für euch versuche ich es aber. Hier ein kleiner Auszug….
Als ich das erste Mal von der konkreten Idee hörte, das Lilienbanner durch ein neues Bundeslied zu ersetzen, dachte ich bei mir: „Was für ein Quatsch!“ Ich gebe zu, ein relativ ungefilterter und unreflektierter Gedankengang, aber so war es. Hinter diesem Gedanken steckte jedoch keine Ignoranz oder blinder Opportunismus. Nein, zwei Gründe führten dazu:
1. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich die Gesamtheit des Bundes auf einen Nachfolger einigen kann.
2. Ich verbinde sehr viel Positives mit dem Lilienbanner und sah keinen Grund, daran zu rütteln.
Ersteres möchte ich hier nicht weiter kommentieren und außerdem wird es sich uns ja am Bundesthing offenbaren. Nun zu Zweiterem: In den letzten Monaten habe ich den Eindruck gewonnen, dass es im Prinzip nur noch darum geht, welches Lied das Lilienbanner ablösen soll und nicht, ob es überhaupt abgelöst werden soll. Damit einhergehend frage ich mich: Ist es in Ordnung, wenn ich eine Ablösung nicht gut finde und mache ich es mir zu einfach, wenn ich die Kritikpunkte nicht so stark gewichte wie die positiven Dinge, die ich mit dem Lilienbanner verbinde?
Dieses Lied begleitet mich jetzt seit klein auf durch mein Pfadfinderdasein, ich habe es unzählige Male gesungen und dadurch verbinden mich natürlich mannigfaltige Erfahrungen und Erlebnisse mit diesem Lied. Beispielsweise eröffnen wir jedes Jahr unsere Sippenführerschulung mit dem Lied, die sicherlich das Highlight meines Pfadi-Jahres ist.
Meine emotionale Bindung ist sicherlich nicht so hoch wie an mein Stammeslied, aber trotzdem stark – und damit natürlich auch indirekt die Bindung an den Bund.
Wenn ich in letzter Zeit mit meinen Stammes- oder Ringmitgliedern über das Thema Bundeslied spreche, die nicht unentwegt im Ring- oder Bundesleben unterwegs sind, sich aber trotzdem zu einem gewissen Teil mit dem Bund identifizieren, dann habe ich den Eindruck, dass das Bundeslied einen Teil dieser Identifikation darstellt und es daher für die Mädels und Jungs schwer zu greifen ist, warum hier eine Änderung her sollte. Die Gründe sind meinen, bereits anfangs geschilderten, ähnlich.
Deshalb sehe ich hier alle aktuell „gestaltenden Bundesmitglieder“, also Stammes-, Ring und Bundesführung(en) in der Pflicht, sich die Meinungen aktiv einzuholen, um ein gutes Gesamtbild zu bekommen. Denn meine Erfahrungen und darauf aufbauende Meinung müssen ja nicht automatisch für die ganze „Bundesbasis“ gelten.
Um klarzumachen, dass mich nicht nur Gefühlsduselei dazu bringt, das Lilienbanner als Bundeslied behalten zu wollen, möchte ich auch kurz auf einige berechtigte Kritiken eingehen und erläutern, wieso ich trotzdem pro Bundeslied bin.
Beginnen möchte ich dabei mit dem Punkt „Es ist nicht mehr zeitgemäß“. Mir ist völlig klar, dass Worte wie Treue, Pflicht, Werke, „wie des Löwen Stärke“ oder „des Adlers Flug“ und „kämpfend siegen“ nicht unbedingt hipp sind und sehr archaisch wirken. Aber Hand aufs Herz, genau diese Dinge machen unsere Arbeit hier doch aus. Neben Spaß und dem Drang, sich selbst zu entfalten, fahre ich natürlich auch, und manchmal vor allem, aus Pflichtgefühl zu den verschiedenen Things.
Des Weiteren setze ich alles daran, meine Werke, also Aufgaben, so gut es mir möglich ist zu bewerkstelligen, dafür muss man ab und an auch mal kämpfen. Meines Erachtens wird mit den oben genannten Textstellen genau dies ausgesagt. Natürlich ist das eine sehr eigene Interpretation, aber darum geht es mir ja auch. Natürlich ist es wichtig, Liedtexte und/oder ihre Melodien im geschichtlichen Kontext zu sehen und die Entstehungszeit, das soziale Umfeld, in dem es geschrieben wurde, und den Autor zu betrachten. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es ebenfalls sehr wertvoll sein kann, ein Lied im aktuellen Kontext zu betrachten, wohin es sich entwickelt hat und was es aktuell für einen selbst bedeutet. Vielleicht ein guter Denkanstoß, auch wenn ich das Thema aufgrund von Platzmangel nur gestreift habe und erst recht keinen Anspruch an Vollständigkeit erhebe.
An dieser Stelle möchte ich außerdem einen Exkurs zum Thema Gleichstellung wagen, der nicht den Kern dieses Textes bildet, den ich aber auch nicht außer Acht lassen möchte und kann. In dem Alter, in der mich das Lilienbanner besonders geprägt hat, also zwischen 6 und 15, habe ich mir über dieses Thema noch keine tiefgehenden Gedanken gemacht, vielleicht hätte ich es sonst von Beginn an etwas kritischer gesehen. Mittlerweile nehme ich dieses Thema jedoch anders wahr und aus meiner Sicht wäre es durchaus möglich, „Kommt Schwestern, reicht die Hände, kommt Brüder haltet Schritt“ oder ähnliche Varianten zu singen.
Das ist durchaus ernst gemeint und gleichzeitig vielleicht auch ein Lösungsansatz für diejenigen, welche das Lilienbanner aus dem Ungleichgewicht der besungenen Geschlechter heraus ablehnen.
Im Enddefekt „reicht“ vielleicht auch eine Überarbeitung des Lilienbanners statt eines kompletten Austauschs.
Damit wir uns abschließend nicht falsch verstehen:
Auch wenn dem geneigten Leser sicherlich aufgefallen ist, dass ich pro Lilienbanner eingestellt bin. Es ist völlig in Ordnung, wenn das Bundesthing beschließt, dass es ein neues Bundeslied geben soll.
Dies sollte aber nicht unter dem Eindruck entstehen, dass es ein neues geben muss, nur weil sich potenzielle Fürsprecher des Aktuellen nicht ausreichend artikulieren. Das Ziel dieses Artikels ist einfach und schnell formuliert: Ich möchte, dass sich mehr Leute eine Meinung zu diesem Thema bilden. Das kann nur erfolgreich stattfinden, wenn sowohl Kritiker, als auch Befürworter zu gleichen Teilen die Toleranz für die Meinung des Anderen aufbringen.
Mitreden!