Wir schreiben den 1. Oktober 2012 – noch 82 Tage Was dann? Geht dann die Welt unter? Beginnt irgendwo ein neues Leben? Müssen wir unsere Sachen packen und die Erde verlassen? Leben wir wieder im Wald, weil die Flut all unsere Häuser zerstört hat? Was dann?
Rückblick – Ich stehe hier vor der mächtigen Pyramide eines Zauberers in Uxmal (Yucatán/ Mexiko). Der Sage nach war dieser Zauberer ein Wahrsager und ist als Sohn einer Hexe aus einem Ei geschlüpft, wie mir unsere Reiseleiterin gerade erzählt hat. Mit seinen Fähigkeiten hat er nur eine Nacht für den Bau der Pyramide gebraucht. Wer’s glaubt! In Wahrheit waren es nämlich fünf Bauperioden die sich über 300 Jahre hinzogen. So wie es aussieht, erlebe ich gerade die sechste. Gerüste auf einer Seite verstecken ein wenig das faszinierende, 35 m hohe Bauwerk. Die Pirámide del Adivino (Pyramide des Wahrsagers), wie sie hier in Mexiko genannt wird, ist die einzige Pyramide von denen, die ich bisher gesehen habe, die abgerundete Ecken hat. Leider darf man hier nicht hinaufklettern, aber beeindruckend ist es trotzdem. Während wir das Gelände erkunden, versuche ich mir vorzustellen, wie die Maya hier gelebt haben. Doch das fällt mir schwer, denn man sieht nur noch wenige Häuser und die Paläste und Begegnungsstätten sind nicht mehr vollständig erhalten. Klar, sie sind ja auch schon ewig viele Jahre nicht mehr bewohnt und aus diesem Blickwinkel betrachtet sind sie doch noch in einem guten Zustand. In den letzten Jahren wurde auch viel restauriert, aber ein Leben hier, auch mit jahrelanger Erfahrung als Pfadfinder kann ich mir trotzdem nicht vorstellen. Aber naja, ich lebe ja auch nicht in Höhlen wie Fred Feuerstein und im Winter wird es auch nicht so kalt auf der Yucatán Halbinsel wie bei uns in Deutschland. In unserem Zeitalter baut auch keiner mehr Tempel, um eine Verbindung zu den Göttern herzustellen.
Während ich hier so vor mich hin träume, gehen wir über den Ballspielplatz. Auf diesem Platz wurde das religiöse Ritual vorgenommen und der Platz stellt die Gemeinsamkeit aller Maya-Stätten dar. So wie unsere Reiseleiterin uns das erzählt, klingt es irgendwie nach Quidditch wie bei Harry Potter, nur ohne Besen. Es müssen Bälle durch Ringe gestoßen werden, wobei hier weder die Hände noch die Füße benutzt werden durften. Ausschließlich Hüfte, Oberschenkel und Ellbogen waren erlaubt. Ich glaube, wenn Obelix dabei gewesen wäre, hätte er sicherlich gesagt: »Die spinnen die Maya«. Womit er vermutlich Recht hätte.
Diese Maya waren bzw. sind ein beeindruckendes Volk. Intelligente, Götter verehrende, kampflustige Wahrsager die meinen, dass alles irgendwann ein Ende hat. Hat es ja auch. Nur, meinen die wirklich auch das Leben unserer Erde? Woher wollen die das gewusst haben? Fest steht, dass sie damals schon der Schrift, der Mathematik und der Astrologie mächtig waren. Anhand der Sterne, wahrscheinlich der Dauer einer Schwangerschaft und der Vegetation von Pflanzen erstellten sie einen sehr genauen Kalender. Im Grunde sind es vier Kalender die sich nach verschiedenen Zyklen richten. Ein Maya-König war gerade dann sehr mächtig, wenn die vorhergesagten Aussaaten, Ernten, Dürren, Fluten und andere Prophezeiungen, die sich nach dem Kalender richteten, eintrafen. Die Maya hatten zudem klare Vorstellungen von ihrem Leben, das sich zum einen am Kalender orientierte, zum anderen an den Traditionen, ihren Schönheitsidealen und der Unterteilung in das einfache Volk und die Adeligen.
Heute sind es l nur noch wenige Tage bis zum Ende der Welt.
Heute – drei Jahre nach meiner Reise durch Mexiko – sind es laut Vorhersage nur noch wenige Tage bis zum Ende der Welt. Eigentlich sollte das einen ja schon mehr beschäftigen. Schließlich bin ich noch jung und das Leben auf der Erde soll schon vorbei sein, nur weil das irgendwann mal jemand prophezeit hat? Aber was kann ich auch schon machen, verhindern kann ich es sowieso nicht. Sollte ich noch schnell eine Versicherung abschließen oder einen Flug ins Weltall buchen, mich bei meinen Freunden verabschieden und den Rucksack und ein Zelt einpacken?
Ich stelle mir vor, wie die große Flut kommt und ich mit meinem Rucksack, dem Zelt, etwas Vorrat und etwas zu lesen in einem Boot sitze und langsam von meinem Haus davongetragen werde. Aus Spaß male ich mir das Ganze noch etwas weiter aus. Die Flut wird immer stärker und leider ist es so stürmisch, dass ich mich unter dem Zelt verkrieche und mich am Boot festklammern muss. Plötzlich gibt es einen lauten Knall, mein Boot zerspringt und ich lande etwas weiter entfernt auf dem Boden. Leicht benommen stehe ich auf und bin erstaunt, die Welt scheint noch da zu sein, nur sehe ich weit und breit leider niemanden anderen. Wie in einem Film bin ich auf einer einsamen Insel gelandet. Die einzigen Mitbringsel sind ein Buch und das Zelt, zumindest auf den ersten Blick. Ich begebe mich auf die Suche nach etwas zu Essen. Doch außer meiner Kaugummi-Packung mit dem letzten Kaugummi und etwas Regenwasser in einer Pfütze finde ich nichts. Da fällt mir ein, hat MacGyver nicht mit dem Kaugummi-Papier Fische gefangen und aus einem abgerissenen Schutzumschlag eines Buches einen Trinkbecher geformt?! Gesagt getan. Während ich mich so umsehe begegne ich keiner Menschenseele. Anscheinend bin ich die einzige hier, also lege ich Holzstämme in Form eines Pfeils auf den Boden und bestäube sie mit Brauneisenerz (Limonit), das ich zufällig finde, so dass der Pfeil von einem Rettungshubschrauber aus gesehen werden könnte. Da ich vor lauter Aufregung leider auch nur meine Pumps angezogen hatte, baue ich mir, während ich auf Hilfe warte, aus einem Stück meines Zeltes und Klebeband bequeme Schuhe. Klingt irgendwie absurd, aber bei MacGyver hat es auch funktioniert. Schließlich retten mich Aliens und wenn ich nicht gestorben bin, dann lebe ich noch heute.
Ich verlass mich mal auf die Maya.
Doch kommen wir mal zurück zur Wahrheit. Ja, die Maya haben gesagt, dass sich am Ende eines Zyklus etwas verändert, aber was das sein sollte, das konnten selbst sie nicht sagen. Alle 400 Jahre beginnt ein neuer Zyklus in ihrem Kalender, doch seien wir mal ehrlich. Ist vor 400 Jahren die Welt untergegangen? Auch der besagte Tag 4 Eb wiederholt sich alle 260 Tage. Also, warum jetzt die Panik? So richtig scheint es keiner zu wissen. Ich verlass mich mal auf die Maya und gehe davon aus, dass wir uns alle am 22.12.2012 wieder sehen und der neue Zyklus beginnt.
Mitreden!