Dem Nachbar seine Nachbarn

Herbstanfang! Schon beim Öffnen der Gardinen ahne ich: dieser Tag hat es in sich. Nebel durchzieht das Tal und ein leichter Nieselregen bedeckt meine Fensterscheiben.

Riiiing! »Was ist das?« Es klingelt an der Haustür. Dabei sind um diese Uhrzeit nur Kuh Berta und Elfriede wach und warten im Stall darauf gemolken zu werden. Und die Uschi – mein herzallerliebstes Frauchen – das ist diese Wochenende doch auf Kegeltour mit den anderen Weibchen. Riiiiing! Ich komm ja schon, keine Panik! Im Halbschlaf öffne ich die Tür und vor mir steht ein Blaumann mit seinem UFO. Eine Mischung aus Fäkalien und Klostein zieht mir in die Nase. »Wo soll isch die Chemiekeule abstellen?« Welche Chemiekeule? Das UFO bei mir in meinem Garten? Panik überkommt mich – was hat meine Uschi hier wieder bestellt? Der Blaumann erkennt meine Ahnungslosigkeit und erklärt: Ich komme mit dem stillen Örtchen für die Pfadfinder. Pfadfinder? Wollten die nicht erst nächstes Wochenende kommen…

Der Blaumann ließ sich nicht beirren. Nun steht es da. Das blaue UFO direkt neben Berta und Elfriede auf der Wiese. Die beiden staunten zwar kaum weniger als ich doch ließen wir uns vom Hofalltag nicht abbringen. Nach dem morgendlichen Melken schwang ich mich auf den Traktor, um den ungemütliche Tag schnell hinter mich zu bringen.

Kaum hatte ich mich mittags zum aufwärmen unter die Dusche gestellt klingelte es erneut an meiner Tür.

Riiing! Wer zum Geier ist das schon wieder! Triefend nass laufe ich zum Fenster und schaue heraus. Im Schlepptau mit einem vollgeladenen Bus, stehen zwei uniformierte Oberjungen vor meiner Tür. »Hallo Herr Bauer. Wir sind‘s, die Pfadfinder, wir wollten nur kurz Bescheid geben, dass wir da sind!« Also hatte der Blaumann doch Recht. Im Abreisestress von Uschi hatte ich ganz vergessen, dass die Pfadis schon dieses Wochenende anreisen. Unbeirrt meiner nackten Tatsachen informieren sie sich nach Lagerplatz und Wasseranschluss. Und auch hier merke ich, dass ohne Uschi nichts geht. Denn zum Bedauern der Truppe habe ich vergessen Berta und Elfriede auf eine andere Wiese umzuquartieren. Kein Problem für das junge Volk. Sie wollen trotzdem schon einmal ihre schwarzen Zelte aufbauen. Ich werde mich dann später um das Problem kümmern.

Aus später wurde morgen. Und da musste ich feststellen, dass sich das Problem schon von selbst erledigt hatte. Berta, Elfriede und Anhang warteten bereits am Futtergatter erwartungsvoll auf mich. Die Pfadfinder hatten die Arbeit bereits für mich erledigt. Später berichteten Sie von einem frühmorgendlichen Wecken durch Töpfe klappern, schmatzen und schnaufen. Die Kühe hatten es sich im Pfadfinderlager bequem gemacht. Gewappnet mit Topfdeckel und Kochlöffel trieben die Pfadfinder Elfriede und die anderen Damen in den richtigen Teil der Wiese und zäunten sie ein. Den restlichen Tag über vernahm ich kaum noch etwas von der jungen Truppe und auch Berta und Elfriede gaben keinen Mucks mehr von sich.

Selbst nachts noch als die Pfadfis zur Gitarre griffen ließen sich Berta und Elfriede nicht beirren und schlummerten friedlich vor sich hin. Damit fand der Herbstanfang doch noch ein gemütliches Ende. Meine anfängliche Panik verflog von selbst.

Und die Moral von der Geschicht: »Ohne Bäuerin geht es nicht!«

Online ist dir nicht retro genug? Kein Problem, du findest den Artikel auch im haddak 2/2012 auf Seite 44.

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