Als Pfadfinder_innen erkunden wir regelmäßig die Welt, neue Kulturen und finden neue Freund_innen an neuen Orten. Doch wie fühlt es sich an, die ganze Welt auf einem Lagerplatz kennenzulernen?
Als Teilnehmende des World Scout Jamboree 2019 hatten wir das große Glück, diese Erfahrung machen zu dürfen. Schien der Weg zu einer Teilnahme auch nicht immer einfach (als Mitglieder des DPVs sind wir nicht Teil der Ringe deutscher Pfadfinderinnen und Pfadfinderverbände und so auch nicht Mitglied in den Weltpfadfinderverbänden, die das Jamboree ausrichten), brachte es unser Stamm nach einigen Strapazen zu ganzen fünf der begehrten 1300 Plätze für deutsche Pfadfinder_innen.
Nach einem Jahr voller Vorbereitungstreffen mit der eigenen Unit und dem gesamten deutschen Kontingent ging es für meine Unit „Otto Lilienthal“ am 19. Juli 2019 nach West Virginia.
Eine Unit besteht aus durchschnittlich 40 Leuten und ist zu vergleichen mit einem Stamm, der auf ein Festival fährt. Man isst und schläft gemeinsam, und der gemeinsame Lagerplatz ist der Dreh- und Angelpunkt für allgemeine Ansagen.
Einige der deutschen Units waren schon auf Vortour in Kanada, andere kamen erst zum 19. Juli angereist. Unabhängig vom Zeitpunkt der Anreise trafen wir uns alle nach einem spannenden Tag in Washington auf einem Lagerplatz der Boy Scouts of America in Goshen.
Hier verbrachten wir unsere Akklimatisierungstage und sahen ein wenig wie die Klischee-Pfadfinder_innen aus den Köpfen unserer Klassenkamerad_innen aus.
Also nicht nur unser Umfeld bediente dieses Klischee, sondern als auch noch Bären zu unseren nächtlichen Besuchern zählten, fühlten sich einige
von uns schon fast zum Kekseverkaufen und Spurenlesen berufen.
Eine weitere schmerzliche Erfahrung, die wir dort machen mussten, war, dass nicht nur die Boy Scouts an sich, sondern auch das amerikanische Essen jedes Klischee bediente. Zum Frühstück gab es Kuchen und Zuckermüsli, zum Abendessen Burger, Mac and Chees und Chickenwings. Alles doppelt und dreifach in Plastik eingepackt…
Der Wunsch nach Nachhaltigkeit war also schon hier gestorben und die Situation verschlimmerte sich mit der Zeit. Ganz unabhängig von diesen Erlebnissen freuten wir uns natürlich alle riesig, als es dann eines morgens endlich zum Jamboree-Gelände ging…
46.000 Pfadfinder_innen aus über 150 Ländern. Aufgeteilt auf die Unterlager A, B, C, D und F, teilweise über eine Stunde Fußweg auseinander. Auf diese Dimensionen waren wir nicht vorbreitet. Jedem von uns war bekannt, wie groß dieses Lager sein würde, aber so richtig vorstellen kann man es sich eben doch nicht. Nachdem unsere schwarzen Jurten ihren Platz zwischen den zehntausenden Plastikzelten der anderen Units gefunden hatten, ging es ans Essen. Das System auf dem Jamboree war hierfür folgendermaßen aufgebaut:
Jedes Unterlager hatte einen Supermarkt, in dem eingekauft werden konnte. Dies ging jeweils ab 5:30 Uhr oder ab 15:30 Uhr (wann der Markt wieder schloss, hat eh niemanden interessiert, weil jeder schon eine Stunde vorher am Eingang wartete, um noch die volle Auswahl zu haben). Außerdem brauchte man eine spezielle App, um Produkte einscannen und kaufen zu können. So gab es jeden Morgen gezuckertes Brot mit Sirup oder Erdnussbutter und den Rest des Tages Beef Jerkey und Müsliriegel. Irgendwann wurden diese mehrfach in Plastik verpackten Diabetes-Verursacher allerdings nicht mehr kommentiert und nur noch in Gesprächen mit Einheimischen in Frage gestellt. Eine gute Ausweichmöglichkeit stellten hierfür allerdings die Food-Häuser dar, welche Essen aus den verschiedensten Ländern anboten.

Neben ihnen konnte man auf dem Jamboree noch an allerhand Aktionen teilnehmen. Von Diskussionsrunden über den Klimawandel und Nachhaltigkeit bis zu River-Rafting Ausflügen und Zipline-Erfahrungen konnte man einiges erleben. Außer den Massen an Aktionen, die einem geboten wurden, war es aber natürlich besonders reizvoll, neue Menschen kennenzulernen. Da alle Länder und ihre Units bunt durchmischt ihre Lagerplätze hatten, war dies eine Leichtigkeit. Man musste nur einen Fuß vor sein Zelt setzen und schon stand man im Gewusel der Nationen. Honkong, Schweden, New York… Menschen aus allen Ecken der Welt fingen an, sich über ihre Heimat auszutauschen und zu vergleichen. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass mir diese zwei Wochen die wohl interessantesten Gespräche meines Lebens bescherten (zumindest bis jetzt).
Sich in dieser ganzen Aufregung immer wieder ins Gedächtnis zu rufen,
dass all diese vielen Menschen Pfadfinder_innen mit denselben Wertevorstellungen und Zielen sind, machte die ganze Situation nur noch skurriler.
Das absolute Highlight dieser Tage werden aber wohl für jeden die drei großen Zeremonien gewesen sein. Diese fanden zur Eröffnung, zum Tag der Kulturen (nach der Hälfte der Tage) und zum Schluss statt. Bei diesen Feiern wurden beeindruckende Drohnen- und Lichtshows vorgeführt und Sänger vom Broadway beglückten uns mit einem Auftritt.
Das sind natürlich nur ein paar von den vielen Dingen, die uns geboten wurden. Am schönsten war allerdings das Gefühl, wenn 46.000 Pfadfinder*innen zusammenstehen, ihre Fahnen schwingen und gemeinsam Just Dance spielen oder singen. Man kann also auf jeden Fall sagen, dass das Jamboree eine wunderbare, aber auch ein wenig surreale Erfahrung war, die einem ein Leben lang bleiben wird. Es ist einfach beeindruckend zu sehen, was für eine Macht alle Pfadfinder*innen der Welt hätten. Wir müssen sie nur nutzen, besonders in der heutigen Zeit, und die Werte vertreten, die uns alle – rund um den Globus – verbinden.

Mitreden!