Bevor ich anfange, über Nachhaltigkeit zu schreiben, möchte ich einmal kurz das Thema so definieren, wie ich es verstehe:
Nachhaltig zu leben bedeutet, dass alle jetzt lebenden Menschen und alle künftigen Generationen ebenfalls so leben können wie ich.
Diesem Ziel stehen viele Herausforderungen gegenüber, für welche durch bisherige Generationen noch keine funktionierenden Lösungen gefunden wurden. Stichwort Ressourcenknappheit und Ressourcenverteilung: Ressourcen kann man in endliche und nachwachsende Ressourcen unterteilen. Da endliche Ressourcen, wie zum Beispiel Erdöl oder Braukohle mehrere Millionen Jahre für ihre Regeneration benötigen, scheiden sie als Grundlage für ein nachhaltiges Leben aus. Das Problem der nachwachsenden Ressourcen wie zum Beispiel Nahrungsmittel, Holz und Baumwolle liegt darin, dass auch sie durch spezielle Faktoren wie beispielsweise Bodenknappheit oder Nährstoffverfügbarkeit in ihrer Produktion beziehungsweise Regeneration limitiert sind.
Unser momentaner mitteleuropäischer Lebensstandard ist zum einen auf endliche Ressourcen ausgelegt und zum anderen so hoch, dass viele unserer nachwachsenden Ressourcen für uns nicht ausreichen. Um unseren Bedarf zu stillen, müssen wir sie aus anderen Teilen der Erde importieren, was oft eine Ungleichverteilung zur Folge hat. Um dem entgegenzuwirken, können wir zum einen etwas an unseren Produktionsmethoden und zum anderen etwas an unserem Bedarf ändern.
Da der Mensch, wenn er sich nun einmal an einen Lebensstandard gewöhnt hat, von eben diesem nur sehr schwer wieder abzubringen ist, versucht man es meist mit der ersteren Methode. Dabei muss darauf geachtet werden, dass sowohl eine ökologische, eine ökonomische als auch eine soziale Nachhaltigkeit gewährleistet ist. Dass das oft schwer miteinander zu vereinbaren ist, kann an zum Beispiel an der Bewirtschaftung unserer Wäldern in Deutschland beobachtet werden.
Seit Hunderten von Jahren nutzt der Mensch das Holz als Rohstoff- und Energiequelle. Positiv ist, dass wir es in Deutschland geschafft haben, unsere Wälder so zu nutzen, dass wir in den letzten Jahrzehnten einen Waldflächenzuwachs verzeichnen können. Allerdings gibt es heute keinen unberührten Urwald mehr in Deutschland. Durch unser intensives Eingreifen haben wir das Bild des Waldes maßgeblich beeinflusst, so dass heute anstatt der natürlichen großflächigen Laub- und Mischwälder schnellwachsende Nadelwälder unsere Landschaft prägen. Dadurch konnte zwar langfristig der Holzbedarf der Menschen gedeckt werden, doch viele künstliche Wälder sind instabil und werden durch Schadereignisse wie Windwurf oder Borkenkäferbefall heimgesucht. Nun gibt es verschiedene Ansätze, mit denen versucht wird, die Wälder wieder zu stabilisieren und der Natur einen unberührten Rückzugsort zu geben. Einer besteht darin, wieder mehr Laubbäume einzubringen, um so die Abwehrkraft des Waldes zu steigern. Ein anderer Ansatz ist einen Teil des Waldes aus der Nutzung zu nehmen und sich selber zu überlassen. Dies kann entweder großflächig wie in den Nationalparks geschehen oder durch ein Netz aus vielen kleinen Flächen.
Betrachtet man nun diese Entwicklung aus den verschieden Perspektiven der Nachhaltigkeit, so muss man die ökologische, ökonomische und soziale Tragweite solcher Entscheidungen berücksichtigen.
Aus ökologischer Sicht ist das Eingreifen des Menschen in ein Ökosystem fast immer mit einem Rückgang der Artenvielfalt verbunden. Um Pflanzen, Tieren und Pilzen die Möglichkeit zu geben, sich frei und vom Menschen möglichst unbeeinflusst zu entwickeln, ist es notwendig verschiedenste Waldtypen unter generellen Schutz zu stellen und jegliche Eingriffe zu unterlassen.
Hier stehen sich also ökonomische und ökologische Zielvorstellungen konkurrierend gegenüber.
Dies ist allerdings mit weiteren Konsequenzen verbunden. Wenn ein Teil der Waldfläche aus der Nutzung genommen wird, so muss auf der verbleibenden Fläche intensiver gewirtschaftet werden, um den bisherigen Rohstoffbedarf zu decken. Hier stehen sich also ökonomische und ökologische Zielvorstellungen konkurrierend gegenüber.
Nimmt man nun noch die soziale Perspektive ein, wird die Entscheidung noch komplexer. Zum einen bevorzugen Waldbesucher wie Spaziergänger, Radfahrer, Reiter und auch Pfadfinder häufig den naturbelassenen Wald. Auf der anderen Seite gilt Holz als attraktive Alternative zu anderen Rohstoffen wie Erdöl, Beton oder Aluminium. Bei der Photosynthese wird der Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden, so dass die Holznutzung als CO2-neutral gilt. Darüber hinaus wird durch die Verbauung von Holz das CO2 dem Kreislauf langfristig entzogen. Im natürlichen Prozess ist dies nicht der Fall. Stirbt ein Baum auf natürliche Art und Weise, wird er durch Pilze und Mikroorganismen zersetzt, was wiederum den Kohlenstoff in die Atmosphäre entlässt.
Anhand dieses Beispiels lässt sich erkennen, dass es oft keine einfachen Lösungen gibt, wenn man Probleme nachhaltig betrachtet. Auch in unserem Alltag stellt sich der ein oder andere sicherlich oft die Frage, ob sein Handeln denn nun nachhaltig ist. So wenig ein Nationalpark für sich alleine als nachhaltig betrachtet werden kann, so wenig gilt dies auch für zahlreiche andere Sachverhalte.
Während zum Beispiel ein Bio-Bauer zwar auf viele umweltschädliche Maßnahmen wie mineralische Dünger oder Pestizide verzichtet, liegt sein Ertrag pro Fläche allerdings deutlich unter dem des konventionellen Landwirts. Der geringere Flächenverbrauch einer intensiven Landwirtschaft ermöglicht es hingegen, die Bevölkerung zu ernähren und trotzdem der Natur auf anderen Flächen ihren Rückzugsraum zu lassen.
Ähnlich uneindeutig verhält es sich bei anderen kontrovers diskutierten Themen. Rechtfertigt der Vorteil eines geringeren Pestizideinsatzes den Anbau von Gen-Mais? Sollte aufgrund der erhöhten Treibhausgasemission die Rinderzucht unterlassen werden, oder könne wir es uns nicht leisten auf die Nutzung des für Ackerbau ungeeigneten Weidelandes zu verzichten?
Dieser Artikel soll und kann nicht sagen, welches das richtige oder falsche System ist.
Dieser Artikel soll und kann nicht sagen, welches das richtige oder falsche System ist. Oft liegt der Weg auch in einem Kompromiss. Um gute und nachhaltige Entscheidungen treffen zu können, ist es nötig, dass wir uns mit den Sachverhalten auseinander setzten und diesen auch aus der Perspektive unseres Gegenübers betrachten.
Mitreden!