Mit dem Weltuntergang hat sich die Menschheit mehr als einmal befasst. Da wäre beispielsweise das Jüngste Gericht, die Invasion und Zerstörung der Welt durch außerirdische Lebensformen, der Zusammenstoß der Erde mit einem Asteroiden und nicht zuletzt die Atombomben aus eigener Herstellung einiger weniger Staaten, die sich immer mal ein Hintertürchen offen halten wollen.
Dem atomaren Ende waren die Menschen noch nie so nahe wie zur Zeit des Kalten Kriegs, der von 1947 bis zum Ende der 80er Jahre die Bevölkerung in Europa und den USA in Atem hielt. Der Westen und der Osten (ständig vertreten durch die USA/Europa und der Sowjetunion) drohten unaufhörlich damit, sich mit den Atombomben zu beschießen, die sie stets griffbereit hatten. Getraut hat sich keiner der beiden Seiten. Denn eins war klar: Sollte man je eine abfeuern, wäre das Schicksal der gesamten Menschheit damit besiegelt. Diese ständigen Androhungen und die nie tatsächlich militärische Auseinandersetzung prägten den Begriff des Kalten Kriegs.
Die Angst vor der möglichen Invasion war jedoch auch bei der Bevölkerung deutlich spürbar. Vor allem in den USA gehörten Atomschutzbunker für den eigenen Garten zum guten Ton. Sowohl dort als auch in Europa wurden Überlebenstrainings angeboten und gegen den Fallout, also den Einschlag einer Atombombe, schützten modische Strahlenschutzanzüge, die in gut sortierten Kaufhäusern erworben werden konnten. Die Anschaffung eines Strahlenmessgeräts, eines so genannten Geigerzählers, war ebenso empfehlenswert, wie die Bevorratung wichtigster Grundnahrungsmittel im Keller. Faltblätter mit den wichtigsten Regeln und skurrile Ratgeber wie »How to survive an atomic bomb« (»Wie man eine Atombombe überlebt«) sollten in keinem Haushalt fehlen.
In geduckter Haltung unter den Tisch sollte vor der Strahlung der Atombombe schützen.
Auch heute noch findet man in jeder Schule, die während dieser Zeit errichtet wurde, den obligatorischen Atomschutzbunker, der jetzt zur Lagerung der Schullektüre genutzt wird. Anstelle einer jährlichen Feuerschutzübung führten die Schulen Atomschutzübungen durch: In geduckter Haltung unter den Tisch sollte vor der Strahlung der Atombombe schützen.
Alle diese Maßnahmen lassen nur eine einzige Frage aufkommen: »Wie zum Teufel haben sich die Menschen denn das Leben danach vorgestellt?« Angenommen man überlebt den atomaren Angriff des Feindes und sitzt so lange im Atomschutzbunker, bis die angeschafften Vorräte aufgebraucht sind. Geht man dann einfach wieder nach oben, wo alles dem Erdboden gleich gemacht wurde, elektronische Geräte nicht mehr funktionieren und man von der Umgebungsstrahlung sofort getroffen wird? Der Bundeskanzlerbunker in der Eifel soll sehr schön ausgestattet gewesen sein. Doch es wäre ja im Falle des atomaren Supergaus nicht mehr viel zum Regieren übrig geblieben.
Auch auffallend ist, dass es jede Menge Ratgeber gibt, die sich auf den häuslichen Bereich beziehen (»Springen sie unter den Tisch«, »Stellen sie sich in den Türrahmen«, »suchen sie sofort den hauseigenen Bunker auf«), nicht aber auf die Freizeit. Die zu dieser Zeit stark wachsende Pfadfindergemeinde muss sich also doch auch mit dem Thema befasst haben. Nachfragen beim Bundesamt für Politische Bildung und dem Haus der Geschichte in Bonn hatten wenig Erfolg. Es gibt keine Ratgeber, die einen darüber aufklären, wie man sich als Pfadfinder in der freien Wildbahn schützen könnte. Man hat also die Pfadfinder damals sprichwörtlich im atomaren Regen stehen lassen. Einen schnellen Graben ziehen und sich hinter die Kohte zu ducken hätte wohl genauso viel gebracht wie die Sache mit dem Tisch und dem Strahlenschutzanzug. Nämlich nichts. Und da haben die Pfadfinder zur Zeit des Kalten Kriegs das einzig Richtige getan: Sie haben sich an die achte Pfadfinderregel gehalten: »Ich will zuversichtlich sein.« Man war zuversichtlich, dass keiner der beteiligten Staaten so dumm sein würde eine der Atombomben loszuschicken und ist trotzdem auf Lager gefahren, hat Kohten und Jurten aufgebaut, Lagerfeuer entfacht, Lieder gesungen und sich am Leben erfreut.
Lasst uns also weiter machen wie bisher: Zuversichtlich sein und Fahrten für den Tag nach dem Weltuntergang am 21.12.12 planen!
Mitreden!