Auch wenn ich am Rotenburger Seminar 2013 »Vom Pfadfinder zum Kapitalisten?!« nur indirekt teilnehmen konnte, ist mir klar geworden, wie sehr mich das Thema eigentlich beschäftigt. Welche Ideale prägen mich eigentlich als »Pfadfinder« und was nehme ich mit in mein Berufsleben? Die prägendste Erfahrung bei den Pfadfindern ist für mich, auf Grundlage geteilter Werte, gemeinschaftliche Aktionen in die Welt zu setzen. Wie kann ich jetzt umgekehrt etwas aus meinem Berufsleben mitnehmen, um meine Ideale umzusetzen? Ich habe einen Ansatz für mich gefunden, den ich gerne hier einbringen will: um an Widerspruch zu lernen und Unterstützung zu finden.
Aber erstmal zu meiner Person: Seit über 20 Jahren beim Stamm Wikinger, mehr oder weniger, aktiv, aber immer mit dem Herzen dabei. Duales Studium der BWL in Mannheim mit Diplom absolviert, anschließend noch den Magister in Soziologie, Politik und Wirtschaftsgeschichte. Der Kapitalismus läuft quasi als Frage ständig mit mir Hand-in- Hand. Als eigentliche Herausforderung erscheint mir aber, wie ich eine Gruppe von Menschen zusammenbringe, um gemeinsam motiviert an einer Aufgabe zu arbeiten die mehr ist, als nur »Arbeit«.
Nach meinem Studium habe ich versucht im Start-Up Unternehmen eines Freundes für Ordnung und Strukturen zur sorgen, im europaweiten Geschäft mit Fotoshootings. Jetzt bin ich in einem Projekt zur Neuorganisation der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin mit dafür zuständig, Bewegung in eingefahrene Strukturen zu bringen und den Menschen so auch Erfolge und Neugier für eine unsichere Zukunft zu ermöglichen. Der Punkt ist eigentlich immer derselbe: Wo ist der geteilte Sinn des Ganzen, der uns dazu bringt, motiviert zur Arbeit zu kommen und gemeinsam etwas zu bewegen!? Dabei reicht es meiner Meinung nach nicht aus, einfach nur gut zu sein, es muss auch etwas Gutes sein.
In etwas gut zu sein und das auch zeigen zu können, das treibt mich an.
Die BWL liefert viel praktisches Methodenwissen für effizientes Arbeiten. Zur Frage nach dem Sinn des Handelns liefert die Soziologie leider mehr Anhaltspunkte für weitere Fragen als Antworten. Relativ klar ist mir aber, dass die Vermehrung von Kapital nur aus Sicht »des Systems« ein Selbstzweck ist. Die darin handelnden Menschen arbeiten zwar auch für das Geld, vor allem aber geht es uns in unserer Wohlstandsgesellschaft um Status, Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Gemeinsame Erfolge haben und feiern, zusammen mit Menschen, deren Meinung uns etwas bedeutet. In etwas gut zu sein und das auch zeigen zu können, das treibt mich an.
Auf dem Flur kam ich mit einem unserer Fotografen ins Gespräch. Ich erzählte von einem Förderantrag zu sozialem Engagement, er von seiner Idee, Menschen in einem Seniorenstift zu porträtieren und eine kleine Ausstellung zu machen. So warfen wir unsere Ideale zusammen, fanden weitere Mitstreiter und während wir vielen Senioren ein paar aufregende Tage verschafften, kamen wir zu charakterstarken Bildern und eine Idee wurde geboren.
Warum nicht einfach im direkten Umfeld nach Menschen suchen, deren Können und Interesse sich für gemeinsame Projekte deckt? Ein Fotograf sucht immer nach aussagekräftigen Bildern. Ein Designer will zeigen was in ihm steckt und sich mit der Welt auseinandersetzen in der er lebt. Den meisten Menschen geht es mit Sicherheit nicht NUR ums Geld. Meine Freundin ist als Sozialarbeiterin in der Wohnungslosenhilfe tätig, ich habe gelernt zu organisieren und Interviews zu führen. Also stellten wir in Bonn einen Fotoworkshop mit wohnungslosen Männern auf die Beine, die auf diese Weise aktiv aus ihrem Leben berichten konnten. Mit hochwertigen Portraits bekamen sie einen Namen und ein Gesicht, jenseits der Schublade des »Penners«. Unter dem Namen »Gleich nebenan« verschenkten wir das fertige Heft an die Caritas, die mit Erlösen aus dem Verkauf des Heftes neue Projekte anschieben möchte. Ich gründete darauf »propagandhi«, als virtuelle Plattform und Agentur, um weitere Gelegenheiten für solches Engagement gezielt zu schaffen. Jede Unterstützung ist dabei willkommen!
Ich will nach Themen und engagierten Menschen suchen, die einfach nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie eigentlich verdienen.
Was ist jetzt der Punkt zwischen Pfadfinder und Kapitalismus? Ich will nach Themen und engagierten Menschen suchen, die einfach nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie eigentlich verdienen. Dann will ich nach Menschen suchen, die ihr Können gerne zeigen oder für etwas unmittelbar Sinnstiftendes einsetzen wollen. Dann möchte ich diese Menschen zu Projekten zusammen bringen, deren Erfolg wir zusammen feiern. Auf diese Weise sammeln sich Menschen mit geteilten Überzeugungen zu einer Gemeinschaft, die sich in ihrem Können ergänzen. Ob und wie viel Geld dabei fließt ist zumindest zweitrangig, am besten wird es ein »social business«. So wird Aufmerksamkeit zum Kapital, die sich in Wertschätzung verzinst. Entscheidend ist das gute Gefühl, sich gemeinsam, auf Grundlage seiner Überzeugungen, produktiv für etwas einzusetzen, das bereits unmittelbar seinen Zweck in sich selbst trägt. Das ist das gute Gefühl, das uns durch unsere Pfadfinderlager trägt und das ist auch eine Sehnsucht, die am Arbeitsplatz bleibt.
Mitreden!