Der Wind pfeift- ordentlich! Entgegen der Windrichtung zu gucken ist eher unangenehm. Also schaue ich zur anderen Seite, dort erkenne ich Tory Island, eine kleine Insel im Nordwesten von Irland – am westlichen Ende Europas. Die Insel ist berühmt für ihr raues Klima, die rauen Menschen, die dort leben und der ursprünglichen irischen Sprache, dem Gälisch.
Seit vier Tagen sind wir zu zweit auf dem Weg hierher, und nun sind wir endlich angekommen, am letzten Felsen Irlands, am letzten Felsen Europas. Ich schaue mich um: Wiesen, ein kleines Dorf und ein paar kleine Hügel liegen hinter uns. Eine karge Landschaft. Und überall vernimmt den typischen Torfgeruch.
Die Menschen in dieser Gegend haben die Finanzkrise Irlands am eigenen Leib erlebt. Sie hatten plötzlich kein Geld mehr, um sich das Heizöl zu leisten und die meisten verloren ihren Job. Gestern Abend hatten wir eine Wirtschaftskrisen-Diskussion im Pub. Deutsche sind hier eher selten, deswegen nutzten die Einwohner die Chance uns ein gemischtes Feedback zur Politik Deutschlands zu geben. Die Iren sind ein Steh-Auf-Volk: „Nächstes Jahr findet sich wieder ein Job und solange können wir ja Torf stechen.“ Denn Torf, den gibt es hier in der Gegend überall. Er brennt gut, wärmt gut, riecht einzigartig und er ist fast kostenlos!
Wir stehen vor der wohl eindrucksvollsten Kulisse für einen packenden Bear Grylls Film: Den irischen Klippen
Zwei Tage später: Wir stehen vor der wohl eindrucksvollsten Kulisse für einen packenden Bear Grylls Film: Den irischen Klippen. Kilometerlang ziehen sie sich durch das Land, dahinter große grüne Hügel, flaches wildes Gras. Über uns fliegen Wolken hinweg und durch den Dunst hindurch, der auf dem Wasser liegt, sieht man auf der anderen Seite der Bucht flaches Land. Und wieder peitscht uns dieser starke Wind ins Gesicht. Die Klippen von Slieve League sind dermaßen beeindruckend, dass ich mir nicht vorstellen kann, so etwas je zuvor gesehen zu haben. Jetzt wissen wir, warum wir hier sind. Obwohl sie etwas abseits der Route liegen, haben wir es zu diesen Klippen hingeschafft. Das haben wir vor allem den freundlichen Iren zu verdanken, die uns häufiger mal ein Stückchen auf unserer Tour mitnahmen. In diesem Fall zwei lustige alte Damen aus Nordirland. Nun sitzen zwei Pfadfinder aus Deutschland mit den zwei irischen Ladies am Rand der Klippen und essen Eis. Ein absolut toller Geheimtipp. Wir haben Glück, denn es ist einer der wenigen Momente in diesem grünen Land, in dem es nicht regnet. Später werden uns die beiden noch weiterbringen und mit mütterlicher Besorgnis darauf achten, dass wir in der Nacht ein Dach über den Kopf haben.
Diese Gastfreundschaft und das Kümmern findet man hier in Irland oft. Es ist eine Eigenart der Iren. Wir sind ohne Handy und Internet unterwegs. Wir finden so immer wieder Menschen, die uns Gutes tun wollen. Ein kleines Kunststück gelingt uns, als wir einen irischen Pfadfinder treffen: Er vermittelt uns weiter an den „Support Officer“. Eine Art Ringführer, der ständig erreichbar ist und uns gleich in drei Städten Pfadfinderheime zum Übernachten organisiert. Wir sollen ihn nur einen Abend vorher anrufen. Dieses Angebot wollen wir nicht ausschlagen, auch weil wir wissen wollen, wie irische Pfadfinder leben.
Am nächsten Tag wenden wir uns einfach an den nächsten Fußgänger, um an ein Telefon zu gelangen. Mit dem netten Mann haben wir voll ins Schwarze getroffen: Er ist Büroleiter eines Wahlkreisbüros. Seine Aufgabe ist es Menschen zu helfen. Sein Chef ist Enda Kerry, der Regierungschef von Irland. Der nette Mann entpuppt sich als sehr organisiert und hilfsbereit. Er lässt uns telefonieren und gibt uns auch noch gute Tipps für die Stadt in der wir uns gerade aufhalten: Castlebar. In der Stadt finden wir dann auch eins von vier kostenlosen Nationalmuseen. Dort erfahren wir viel über das Landleben der Iren und aus ihrer sehr bewegenden Landesgeschichte. Wir erreichen schließlich den Support Officer, der auch noch froh ist, dass wir ihm einen Kontakt zum Leiter des Wahlkreisbüros hergestellt haben.
Unsere letzte Station ist die Musik-Stadt Galway. Mit einer sehr gemütlichen Stimmung präsentiert sich die Stadt den Besuchern als Zentrum der irischen Musik und des landestypischen Pub-Lebens. Wir können auch hier in einem Pfadfinderheim übernachten und lernen viel über die irischen Pfadfinder.
Ich bin froh, dass wir während unserer Reise selten auf uns allein gestellt sind, immer gibt es freundliche Menschen die uns einladen. Ob zum Tee, zum Musizieren, zum Übernachten oder uns einfach ein Stück der insgesamt rund 750 km unserer Reise mitnehmen.
Die Insel ist absolut empfehlenswert. Wer noch nie da war, sollte das Abenteuer dringend wagen. Die grüne Insel und ihre beeindruckenden Bewohner haben uns gefangen, wir werden auf jeden Fall wiederkommen!
Mitreden!