Jürgen Rüttgers ist nicht nur ein CDU-Spitzenpolitiker und ehemaliger Landesvater von Nordrhein- Westfalen, in seiner Jugend war er auch begeisterter Pfadfinder. Wie es dazu gekommen ist, wie ihn das geprägt hat und welche Rolle die Pfadfindertugenden in seinem Leben spielen, sagte er dem haddak.
Herr Rüttgers, Sie waren lange Pfadfinder und sogar Gruppenleiter des Stammes »Bernhard von Clairvaux « in der DPSG. Was macht Pfadfinderei heute noch relevant?
Jugendliche suchen Abenteuer und Freunde. Sie wollen Verantwortung übernehmen. Sie wollen für andere Menschen da sein, helfen, sich engagieren. Sie sind offen für Neues und Unbekanntes. Wer einmal Pfadfinder war, hat viel für sein Leben gelernt.
Sie sind in den 50er und 60er Jahren in dem kleinen Ort Brauweiler nahe Köln aufgewachsen. Wie sind Sie dort zu den Pfadfindern gekommen?
In meiner Jugend waren die Pfadfinder neben den Sportvereinen die größte Jugendgruppe. Alle meine Freunde und ich sind Mitglied bei den Pfadfindern geworden. Wir haben dort wunderschöne Gruppenstunden, Pfingstfahrten und Sommerlager erlebt.
Was hielten eigentlich Ihre Eltern und Freunde davon? Fanden die das ungewöhnlich?
Meine Eltern haben mein Engagement bei den Pfadfindern sehr unterstützt. Ich hatte keine Geschwister, aber dafür viele Freunde bei den Pfadfindern.
Wie war Ihre erste Fahrt?
Zu Pfingsten ging es an die Erft ins Zeltlager. Im Herbst fuhren wir mit dem Fahrrad in ein Jugendhaus in der Ville und im Sommer ging es auf große Fahrt. Das erste Sommerlager fand im Allgäu statt.
In einer nahegelegenen Schule haben wir die Fernsehübertragung von der ersten Mondlandung verfolgen können.
Wohin ging Ihre schönste Großfahrt?
Die schönste Großfahrt war ein Zeltlager in Guidel in der Bretagne. Wir haben unmittelbar am Meer gezeltet. In einer nahegelegenen Schule haben wir übrigens die Fernsehübertragung von der ersten Mondlandung verfolgen können.
Das Magazin »Cicero« schreibt, dass Sie viel Wert auf Fahrtenlieder legten. Sie hätten sich das Banjo- und Posaunenspielen beigebracht und die Liederhoheit bei Singerunden gehabt. Waren Sie ein Jubelfürst? Und was waren Ihre Lieblingslieder?
Zeitungen schreiben viel, wenn der Tag lang ist. Richtig ist, dass ich mir das Gitarrenspielen beigebracht habe, um das Fahrtenlieder-Singen in Gruppenstunden und am Lagerfeuer zu begleiten.
Sie sind dann ja auch Sippenführer geworden. Was hat Sie daran so fasziniert und wie haben Sie gelernt, ein guter Sippenführer zu sein?
Zum Kornett wurde ich gewählt. Wie man eine Jugendgruppe begeistert, habe ich in der Praxis gelernt. Wenn es Probleme gab, habe ich meine Mutter, die von Beruf Lehrerin war, gefragt.
Wie hat Sie die Pfadfinderei im Erwachsenenleben geprägt? Haben Sie das Gefühl, dass Pfadfinder typische Tugenden auch ins Berufsleben mitbringen?
Gleich welchen Beruf man später hat, in allen Berufen ist es wichtig, Menschen zu begeistern und Aufgaben gemeinsam zu lösen. Das lernt man bei den Pfadfindern. Das kann man später in jedem Beruf brauchen.
Unsere Umwelt wird mehr und mehr vom Risiko befreit. Brauchen Menschen Abenteuer? Orientieren Sie Sich als Spitzenpolitiker an den Pfadfindertugenden?
Menschen brauchen, schon gar wenn sie jung sind, Abenteuer. Es ist doch schlimm, wenn man nur vor dem Computer sitzt und über das Internet mit anderen redet. Man lernt auch, dass es zum Leben gehört, sich für andere einzusetzen. Weil mir das immer Freude gemacht hat, habe ich mich später dann auch politisch engagiert.
Sie sind ja schon lange nicht mehr im Stammesalltag aktiv, »Bernhard von Clairvaux« gibt es aber noch. Halten Sie Kontakt mit Stammesmitgliedern von früher?
Natürlich habe ich heute noch Kontakt mit den Mitgliedern des Stammes Bernhard von Clairvaux. Zwei unserer Söhne sind dort Mitglied, und natürlich treffen wir uns auch gelegentlich mit den Freunden von damals.
Haben Sie eigentlich ihre Kluft oder ihr Halstuch noch?
Die Kluft ist leider abhanden gekommen, aber ich habe noch unseren Fahrtenwimpel.
Herr Rüttgers, wir danken Ihnen für Ihre Zeit.
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