2894 Meter über Normal Null. Strahlend blauer Himmel. Ich lasse den Blick schweifen: Kahle Fels und Schotterlandschaft, dann die ersten Sträucher und Bäumchen, dann das bewaldete Tal, durch das wir aufgestiegen sind, der Ort Litochero, und schließlich am Horizont: das Meer.
Zweieinhalb Tage sind wir aufgestiegen und jetzt haben die schnellsten von uns Gitarren in der Hand und begrüssen die erschöpften Neuankömmlinge. Der elfjährige Mini sitzt auf seinem Rucksack neben mir, auch sein Blick schweift die Bergflanke entlang und das Strahlen seiner Augen zeigt, dass auch er es nach oben geschafft hat. Der Skala, einer der Gipfel des Olymp, Haus der Götter. Und auf dem Skala: 20 Pfadfinder unseres Stammes.
Wir sind nicht alleine. Eine Handvoll Griechen, ein Deutscher, ein deutsches bündisches Pärchen – auch sie sind oben. Aber nicht, wie auf der Zugspitze, mit der Zahnradbahn gefahren, sondern gewandert, wie wir auch. Todtouristisiert ist der Olymp nicht. Vielmehr ein gelungener Höhepunkt einer Großfahrt in ein Land, das zum »befahren« wie geschaffen ist. Immer wieder wurden wir im Vorfeld gewarnt, Griechenland sei nicht mehr so, wie es mal gewesen sei. Ja, es gibt Tourismus. Es gibt Orte, die von Touristen überlaufen sind. Lebensmittelpreise, die sich mitteleuropäischen Standards annähern.
Aber wie schnell vergisst man das. Vergisst es auf dem Dorfplatz von Kokinopoulus, auf dem wir die Nacht durchfeiern und -singen können ohne dass sich jemand stört, vergisst es auf der Ladefläche des Pick-Ups, auf der wir mit unseren Rucksäcken hocken, vergisst es, wenn man den feuchten Schimmer in griechischen Augen sieht, wenn man »Kalimera ille« anstimmt. Vergisst es, wenn man Feta oder Tomaten isst, die so anders schmecken als bei uns.
Vermutlich war es vor zehn Jahren einfacher, in Griechenland auf Fahrt zu gehen. Doch all jenen, die glauben, Griechenland sei nicht mehr zu befahren, zu touristisch, zu mitteleuropäisch geworden, irren sich. Eine Großfahrt nach Griechenland erlebt zu haben bleibt eine Erfahrung, die sich keiner entgehen lassen sollte. »Hier ist Griechenland«, sagt der Grieche in gebrochenem Deutsch. Und damit weist er die Hektik, die Unfreundlichkeit, das Biedere, aber auch das Strukturierte, das Geplante, das Pünktliche von sich, das unser Land auszumachen scheint.
Mitreden!