»Was singen wir da eigentlich?«, wird sich schon mancher in der abendlichen Singerunde am Lagerfeuer gefragt haben. Zwar gibt es hunderte von Liederbüchern und jeder hat meistens nicht nur eins, sondern gleich mehrere dabei, aber die wenigsten davon geben über Entstehung und Hintergrund eines Liedes Auskunft. Bei einigen Liedern wäre dies aber nicht nur interessant, sondern sogar wichtig. Dem hilft das im letzten Jahr erschienene Liederbuch – Codex Patomomomensis- ab.
In jahrelanger Arbeit haben die Autoren – Pato und Momo vom Stamm Hagen von Tronje (PB Nordlicht) – die Urheber, Entstehung und Hintergrund von über 250 Liedern recherchiert. Pato: – Angefangen hatte alles mit einer losen Blattsammlung zu einem Gitarrenkurs für angehende und frische Gruppenführer. Und die stellten Fragen. Was sind Stückpforten? Und was soll das, mit dem abgebrochenen Speer? Da kamen wir teilweise selbst ins Schwitzen, weshalb alles, was vielleicht unklar sein könnte, auf den Liederzetteln erläutert wurde – . Acht Jahre später konnte das Autorenduo, das manchem schon durch den „Kleinen Komolzen“ bekannt sein dürfte, sein Werk in den Händen halten.
Im Codex sind die Lieder nicht alphabetisch sortiert, sondern in 14 Kategorien, was zum Stöbern einlädt und verhindert, dass das melancholische und tiefsinnige – Fronleichnam- neben dem doch eher trivialen – Froschkanon- steht. Für ein schnelles Auffinden gibt es aber hinten einen ausführlichen Index. Der Codex ist übrigens nicht als klassisches Fahrtenliederbuch gedacht, wie die Autoren selbst betonen. Denn die Schriftgröße musste ein bisschen kleiner ausfallen, um Text, Melodie und Kommentar in einer angemessenen Buchgröße noch unterbringen zu können. Abgerundet wird der Codex durch einen nicht kleinen Anhang zur Musiktheorie.
Der interessierte Leser findet im Codex natürlich zu allererst ältere Volkslieder, wie zum Beispiel – Die Gedanken sind frei- oder – Die freie Republik – , deren Hintergrund den meisten zumindest grob bekannt sein dürfte. Dennoch erfährt man zahlreiche, den meisten unbekannte, Details. Wer weiß schon, dass der Text von – Die Gedanken sind frei- bereits 1780 von einem unbekannten Autor auf einem Flugblatt verbreitet wurde? Hoffmann von Fallersleben hat diesen Text dann 1846, nur überarbeitet. Außerdem erfährt man, dass die dritte Strophe (zur Erinnerung: die mit dem Mädchen und dem Wein) wahrscheinlich als Abwehrmaßnahme gegen die damalige Zensur hinzugesetzt wurde. Auch bei der – Freien Republik- wird mancher Leser erstaunt lesen, dass das geschilderte Geschehen – sechs Studenten fliehen aus dem Gefängnis – tatsächlich so passiert ist: am 10. Januar 1837.
Neben den Volksliedern haben die Autoren natürlich auch zahlreiche – bündische- Lieder gesammelt und kommentiert. So auch das allseits bekannte »Raubritter«. Zur Entstehung gibt der Codex folgende Auskunft: »Das Lied entstand 1967: Ein Haufen Nerother hatte sich vom Ur-Orden Rabenklaue abgespalten, die Burg Hohlenfels in Beschlag genommen und den Orden Raubritter gebildet. Da die Rabenklauer ein eigenes Lied hatten, brauchten auch die Raubritter eins. Es sollte fetzig sein, irgendwie landsknechtmäßig und trotzig – Nathan und Anti haben diese Vorgabe umgesetzt« . Wie bei einigen anderen Liedern auch, konnten die Autoren die Originalmelodie anhand einer Tonaufnahme dieses Wettstreits rekonstruieren. Zusammen mit dem ursprünglichen Text findet man sie auf S. 96. Der Leser findet allerdings nicht nur Erläuterungen zur Entstehung des Liedes, sondern manchmal auch Kurzbiographien der Liedautoren.
Neben alldem ist der Codex Patomomomensis eine unersetzliche Hilfe für das Verständnis fremdsprachiger Texte. Zwar werden nur selten vollständige Übersetzungen geliefert, dafür aber umso mehr einzelne Begriffe oder Phrasen erklärt, die besonders schwierig zu übersetzen oder wenig geläufig sind. Wie wertvoll das ist, wird man spätestens bei »Smuggler« merken, das mit doch einigen schwierigen und unverständlichen Passagen durchsetzt ist.
Fazit: Der Codex Patomomomensis ist ein Buch, das in keiner Stammesbibliothek und in keinem Bücherschrank musikkundiger Pfadfinder fehlen sollte. Aufwändig recherchiert, sachkundig, aber auch sehr amüsant kommentiert, ist es seinen Preis allemal wert.
Tipp:
Tim Oliver Becker (Pato), Paul Rode (Momo): Codex Patomomomensis. 398 Seiten. Rund 250 Lieder. 2. Auflage 2008. Zauberwald Verlag. 18,50 €. Zu beziehen über www.zauberwald-verlag.de.
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