Fragende Gesichter blickten mich an, als ich den Aplomados zum ersten Mal vorschlug zum Hamburger Singewettstreit (kurz: Hasiwe) zu fahren. Hasiwe, was soll das sein? Ohne selbst je da gewesen zu sein, wusste ich zumindest: Der Hamburger Singewettstreit ist der größte überbündische Singewettstreit in Deutschland und findet im Audimax der Hamburger Universität statt.
Gerade noch rechtzeitig für die Anmeldung kamen wir zu einem einvernehmlichen »Warum eigentlich nicht?« Das war im November letzten Jahres – nur wenige Wochen vor Abgabeschluss der Liedzettel. Unmöglich für uns, bis dahin Stücke rausgesucht zu haben. Wir versuchten also auf Lieder zurückzugreifen, die wir schon auf Bundes- oder Stammessingewettstreiten gesungen hatten. Der nächste Dämpfer: Es dürfen nur typische Fahrteninstrumente verwendet werden. Das heißt unsere Busife-Lieder, die wir mit Cajon, Akkordeon und Kontrabass arrangiert hatten, können höchstens in abgespeckter Form auf die Bühne gebracht werden. Also machten wir aus der Not eine Tugend und besorgten uns eine Ukulele, um wenigstens ein bisschen Abwechslung ins Instrumentalspiel zu bekommen. Nachdem wir uns dann endlich auf zwei Lieder geeinigt hatten, kam der nächste Schlag: in der Sippenkategorie wird nur ein Lied gesungen. Also nochmal überlegen, ob man jetzt ein Lied rauswerfen soll, oder vielleicht fragen sollte, ob man auch in einer anderen Kategorie auftreten darf. Wir entschieden uns für die erste Variante.
Die angekündigte Vorfeier war für uns die nächste Enttäuschung.
Trotz all der Ärgernisse im Vorhinein waren wir guter Dinge, als wir dann freitags gen Hamburg fuhren. Auf der Fahrt wurde viel gelacht und gesungen, vorfreudig auf das Wochenende und eine abendliche Singerunde in der Dreifaltigkeitskirche. Die angekündigte Vorfeier war für uns die nächste Enttäuschung. Es wurde zwar gesungen, aber Stimmung kam wenig auf und dass wir selbst die Singerunde schmeißen müssen, hätten wir eigentlich nicht gedacht. Erst später begriffen wir dann, dass sich die meisten Hasiwe-Besucher woanders treffen.
Am nächsten Morgen nach einem langen Frühstück und der Feststellung, dass die benötigte S-Bahn- Linie nicht fährt, gaben wir den Plan auf, noch ein bisschen die Hamburger Innenstadt zu besichtigen und fuhren mit Ersatzbussen direkt in die Uni: Viele Pfadfinder, Zurechtfinden auf dem Uni- Gelände, Anmeldung, Singegruppenleiter-Besprechung, Rumklimpern auf Gitarren und schließlich Vorentscheid. Ein leichtes Ding für uns, haben wir vorher gedacht. Es gab einige jüngere Gruppen und unser Instrumentalspiel stellt doch die Mädchensippen in den Schatten! Immerhin: Wir waren die einzige Jungensippe, die teilnehmen wollte. Wir stolperten allerdings dann doch so unbeholfen auf die Bühne, dass das zugelegte Selbstvertrauen aussetzte und wir einen peinlichen Auftritt hinlegten. Erst nach einem Hoffnungslauf (also zweiten Vorentscheid) und durch das Glück, von einzelnen Juroren durchgeboxt zu werden, schafften wir schließlich das Weiterkommen in die Endausscheidung im Audimax. Als es soweit war und am Nachmittag die Pforten des Audimax öffneten, waren wir schon fertig mit den Nerven.
Die eigentliche Veranstaltung muss man sich so vorstellen: Es gibt eine Vorhalle, in der es einen Markt mit – im weitesten Sinne – pfadfinderischen Dingen gibt. Allerlei nützliches, aber auch unnützes Zeug. Wir haben uns sehr gefreut unseren »DPBM-Hacki« zu treffen, der natürlich auch dort seinen PEK-Stand aufgebaut hatte. In der Halle des Audimax treten Gruppen in fünf Kategorien gegeneinander an: Sippen, Singekreise, Stämme (diese Kategorie fiel diesmal aus), sowie in einer offenen Kategorie und der Kategorie »Ein Lied in sieben Tagen«, bei der ein Lied innerhalb einer Woche einstudiert und dazu möglichst noch spannend arrangiert werden muss. Zwischendurch gibt es eine Pause, in der noch einmal der Markt besucht werden kann und auf der Bühne eine Pausenband spielt. Das fand ich zuerst etwas befremdlich, aber nach dem langen Sitzen war gerade für die jungen Leute ein bisschen Bewegung nötig, sodass der enge Raum zwischen Bühne und Sitzreihen bald mit tanzenden Pfadfindern gefüllt war. Für meinen Geschmack hätte man ruhig eine jüngere Band auftreten lassen können, schließlich bestand das Publikum ja nicht aus Senioren, sondern aus Jugendlichen und Jugendbewegten.
Zum Wettstreit selber: auch durch den Vorentscheid hatten die Gruppen auf der Bühne durchweg ein hohes Niveau, was die Musikalität angeht. Allerdings gab es trotzdem Favoriten und schwächere Gruppen. Man merkte auch, dass es einen viel größeren Konkurrenzkampf als auf dem Busife gibt. Das äußert sich dann in den Ansagen, bei denen es wichtiger ist zu betonen, dass man ein Lied selber geschrieben oder mehrstimmig arrangiert hat, als die inhaltliche Erklärung zu dem Lied. So ganz erklärt sich mir auch die offene Kategorie nicht. Vielleicht, weil dieses Jahr nur ein Singekreis aufgetreten ist, der sich nicht instrumental einschränken wollte und eine herumalbernde A-cappella-Gruppe. Obwohl vorher ausdrücklich betont wurde, dass es keine Kategorie zum Rumalbern sein sollte.
Unser Auftritt wurde – im Vergleich zu den zwei vorherigen Versuchen – erstaunlich gut.
Unser Auftritt wurde – im Vergleich zu den zwei vorherigen Versuchen – erstaunlich gut. Auf der Bühne hat auf einmal alles gestimmt und wir sangen vor 1.400 Pfadfindern nun endlich überzeugend vom »Stern am Ende der Welt« (zumindest in der Eigenwahrnehmung). Wir wurden mit einem zweiten Platz belohnt, mit dem wir nach dem knappen Vorentscheid nicht mehr gerechnet hätten. Dementsprechend groß war die Freude. Wermutstropfen bleibt allerdings die Jurybewertung der Sippenkategorie. Nicht, dass ich mich über die eigene Platzierung beschweren würde, aber die angesetzten Maßstäbe spiegeln leider kaum die Musikalität der Gruppen. Der erste Platz ging an eine im Vergleich zum Durchschnitt etwas jüngere Gruppe, die zwar ein selbstgeschriebenes Lied sauber mehrstimmig singen konnte, allerdings wurden die eingesetzten Rhythmusinstrumente nicht beherrscht und das Lied war für meinen Geschmack eher ein Popsong als ein Pfadfinderlied. Letzteres war aber leider auch bei anderen Sippen der Fall. Nach wie vor wundert es mich, dass zwar auf fahrtentaugliche Instrumentierung geachtet wird, nicht allerdings auf die inhaltliche Fahrtentauglichkeit der Lieder. Auch verstehe ich nicht, warum gerade in der Sippenkategorie nur ein Lied gesungen wird, obwohl das augenscheinlich die einzige Kategorie ist, in der noch alle Gruppen auf Fahrt gehen.
Am Abend schließlich füllte sich auch die Dreifaltigkeitskirche und es gab dann doch noch das von uns erwartete Fest. Es wurde reichlich gesungen bis spät in die Nacht, man tauschte sich aus, lernte neue Leute kennen und stellte fest, dass die Mädchensippe, mit der wir uns den zweiten Platz teilten, doch ganz nett ist. Es wurde eine lange Nacht, sodass wir mit entsprechender Verspätung am nächsten Morgen uns auf den Heimweg machten – müde und voller neuer Eindrücke.
Mitreden!