Hinaus in die Welt, raus von Zuhaus’ und ein ganz anderes Leben führen – das war es, was ich nach 13 Jahren Schule wollte. Ich entschied mich zuerst für einen Freiwilligendienst und ging nach Irland, um dort für ein Jahr auf einer Farm zu leben und zu arbeiten. Dort fühlte ich mich zwar auch sehr wohl, aber als Mosaiklerin war ich es gewohnt, nicht nur an einem Ort zu weilen, sondern die Länder von unterwegs aus kennenzulernen. So stieß ich auf »WWOOF – World Wide Opportunities on Organic Farms«. Das ist eine weltweite Bewegung, aus der heraus Landesorganisationen entstanden sind, die eine Liste mit »organic farms « in ihrem Land zusammenstellen. Freiwillige, die Lust haben, bei der täglichen Arbeit zu helfen und gleichzeitig etwas über ökologische Methoden und die Lebensphilosophie ihrer Gastgeber lernen möchten, werden gegen Kost und Logis dort aufgenommen. Die Orte und die Arbeit können sehr unterschiedlich aussehen. Jedes Land und jede Region hat natürlich ihre Besonderheiten: manche »Hosts« (Gastgeber) bauen Wein an, andere Oliven, Nüsse, Obst oder Gemüse. Der ökologische Ansatz nimmt dabei stets eine zentrale Rolle ein. Die Hosts unterscheiden sich außerdem sehr stark in ihrer Größe, es gibt alles von der großen Farm bis hin zu dem Aussteiger-Ehepaar mit ihrem kleinen Garten.
Wer gerne ein WWOOFer werden möchte, der meldet sich gegen eine geringe Gebühr in dem Land seiner Wahl an und erhält dafür die offizielle Liste. Darin findet man kurze Beschreibungen der Projekte, den Zeitraum, in dem Freiwillige gesucht werden und die Anforderungen. Nun kann man die Gastgeber kontaktieren und fragen, ob sie jemanden brauchen. Das kann einige Wochen im Voraus passieren oder auch kurzfristig. Wichtig ist es, den genauen Zeitraum abzuklären und nach den Arbeitszeiten (wie viele Stunden täglich, wie viele Tage pro Woche) zu fragen. Die meisten Hosts verlangen, dass die WWOOFer denselben Tagesrhythmus wie sie selbst mitmachen, wozu generell die Bereitschaft da sein sollte. Denn schließlich ist WWOOFing nicht als Urlaub gedacht. Trotzdem ist es wichtig, zu wissen, dass man jederzeit gehen kann, wenn man sich unwohl oder unfair behandelt fühlt.
Als ich im Internet vom WWOOFing las, hatte ich kaum eine Vorstellung, was mich erwarten würde, aber mir gefiel die Idee. Mein Plan war es, eine Rundreise durch Spanien zu machen, und an drei oder vier WWOOFing-Farmen Station zu machen. Die erste Farm hatte ich mir schon organisiert: eine »community« namens IXUXU in den Bergen von Asturien im »grünen« Norden des Landes. Das Leben dort überforderte mich zuerst einmal. Das lag an meinem noch holprigen Spanisch und daran, dass in IXUXU haufenweise Leute kamen und gingen, wie sie wollten. Der Chef Aurelio, ein furchtbar schnell sprechender, sonnengegerbter Mann um die 50, wohnte im Nachbarort und kümmerte sich u. a. um die Wildpferde der Region. Mit ihm verbrachte ich hauptsächlich dann Zeit, wenn wir gemeinsam in einem Höllentempo die Berge rauf und runter liefen, um Pferde zu zählen und Zäune entlang der Straßen zu reparieren. Mit mir auf der Farm lebten zwei Jungs aus Venezuela und Italien, die super nett waren, sich aber nicht die Mühe machten, mir irgendetwas zu erklären. Ab und zu verschwanden sie einfach, und ich verbrachte ein paar Tage alleine. An anderen Tagen kamen auf einmal ganz viele Leute (lebenslustige Hippies um die 30), die scheinbar alle irgendeine Verbindung zu dem Ort hatten, und mit ihnen kamen Schulklassen, denen wir spielerisch etwas über den Wald und die Natur beibrachten. Ich schwamm einfach mit und wunderte mich darüber, wie anders das Leben sein kann.
Meine Hosts waren der Farmer Josep, seine Eltern und seine Tante, die alle drei schon sehr alt waren und ausschließlich Catalán sprachen.
Nach zwei Wochen reiste ich weiter in die katalonischen Pyrenäen, wo meine zweite Station, eine Milchkuhfarm, lag. Dies sollte mein Lieblingsaufenthalt werden. Meine Hosts waren der Farmer Josep, seine Eltern und seine Tante, die alle drei schon sehr alt waren und ausschließlich Catalán sprachen. Der Tag dort war von Arbeit bestimmt: morgens früh wurde mit dem Melken begonnen und zwölf Stunden später der Tag damit wieder beendet. Abends saßen alle gemeinsam vor dem Feuer in der Küche und diskutierten, erzählten oder schauten Fernsehen. Weiter ging die Reise in die Alpujarras nach Andalusien zu meinem letzten WWOOF-Ort. Hier lebte ich zwei Wochen mit der Fotografin Lizzie und ihrem 10-jährigen Sohn in einem kleinen Bergdorf und arbeitete mit meiner Chefin an einem Haus aus Strohballen, alten Autoreifen und weiteren wiederverwertbaren Materialien.
Das WWOOFing habe ich als tolle Möglichkeit erlebt, ein Land abseits von touristischen Pfaden kennenzulernen, in direkten Kontakt mit den Einheimischen zu kommen und das Gefühl zu bekommen, für eine Weile wirklich vor Ort zu leben und nicht nur zu Besuch zu sein. Manche Situationen waren für mich gar nicht so leicht. Das habe ich im Nachhinein zwar oft als lehrreich betrachtet, aber es war auch ein Grund, warum ich mir oft gewünscht hatte, zu zweit unterwegs gewesen zu sein. Mir fehlte häufig der Austausch mit einer vertrauten Person über das Erlebte, da der Kontakt zu den Menschen, die man auf den Farmen kennenlernt, doch eher oberflächlich bleibt. Gerade falls man einmal Pech mit den Hosts hat und es einem irgendwo nicht so gut gefällt, kann man sich zu zweit immer noch eine gute Zeit machen. Als größten Vorteil des WWOOFings würde ich die Unabhängigkeit bezeichnen, da man die Aufenthalte optimal mit dem Reisen verbinden kann und als Freiwilliger Niemandem verpflichtet ist. So haben für mich die positiven Seiten der Reise deutlich überwogen. Schließlich hatte ich viele Seiten eines tollen Landes und viele nette Menschen kennengelernt, war 52 Stunden Bus gefahren und hatte dabei ca. 4.000 km zurückgelegt, hatte viel Neues gelernt und zahlreiche Erfahrungen gesammelt. Irgendwie war es ein bisschen so, wie auf Fahrt zu sein. Nur anders.
Mehr Infos gibt’s im Internet: www.wwoof.org
Mitreden!