Der Bund der Pfadfinder und Pfadfinderinnen (BdP) hat zum 25. Jahrestag des Mauerfalls das einmalige Unternehmen ScoutingTrain 2014 organisiert. Pfadfinder aus Deutschland und den früheren Ostblockstaaten wollten gemeinsam von Moskau bis zum Baikalsee mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren. Ein Zeichen für Frieden und ein gemeinsames, gefestigtes Europa setzen. Am 31. Juli starteten dann ca. 120 Pfadfinder aus verschiedenen Pfadfinderbünden Deutschlands mit der Bahn von Berlin nach Moskau. Unterwegs konnten wir miterleben, wie bei allen Waggons die Räder ausgetauscht wurden, da die Spurweite der russ. Bahn breiter ist. Die Teilnehmer wurden in 5 verschiedene «Waggons« aufgeteilt. Ich war im Waggon »Once a Scout – Always a Scout«, in dem die älteren Pfadfinder zusammen gefasst wurden. Jeder Waggon hatte einen »Schaffner«, der immer Kontakt mit dem Leitungsteam des ScoutingTrains hatte.
»Once a Scout – Always a Scout«
In Moskau kamen noch Pfadfinder aus verschiedenen Staaten des früheren Ostblocks und Russlands dazu. Wir schliefen dort auf einem Campingplatz in einem Park und lernten Moskau am nächsten Tag durch ein Stadtspiel kennen.
Am 5. August ging es dann weiter auf der Trasse der Transsibirischen Eisenbahn mit der russischen Staatsbahn gen Osten. Wir verabschiedeten uns von etwa 30 Pfadfindern, die nur an dem Stadtspiel teilgenommen hatten in einer großen Halle des Moskauer Bahnhofs, bevor wir unsere große Reise antraten. Auch in Russland gibt es eine riesige Bürokratie, die immer gefüttert werden will. Das Leitungsteam hatte Laptops, Drucker und Kopiergeräte im Zug, mit denen die Registrierung jedes Teilnehmers vorgenommen wurde.
Unsere erste Station war Perm, wo wir von den heimischen Pfadfindern herzlich willkommen geheißen wurden und Frauen in ihrer traditionellen Tracht boten uns Brot und Salz. Die Bahnhofsuhren auf der Strecke der »Transsib« gehen nach Moskauer Zeit, während die Uhren in der Stadt jeweils die Ortszeit anzeigen.
Während der Fahrt gab es immer etwas zu fotografieren, da sich die Landschaft ständig änderte und ein Samowar spendete immer heißes Wasser für Tee, Kaffee und Suppen. Gegen 22:00 Uhr erreichten wir Jekaterinburg, und haben somit Sibirien und die Grenze zwischen Europa und Asien erreicht!
Am folgenden Morgen erreichten wir Omsk. Hier begrüßte uns Thomas, ein deutscher Pfarrer, der der VCP angehört und in Russland eine Familie gründete und in Irkutsk lebt. Nach einem Stadtrundgang trafen wir uns nachmittags in einem Park, wo der Waggon »Orkestra« mit seiner vielfältigen Musik für Stimmung sorgte. Das Orchester bot hervorragende Musik, die selbst die Bevölkerung dazu brachte, russische Lieder mitzusingen. Währenddessen verteilte unser Waggon Postkarten über unser Unternehmen. Einige Mitglieder konnten sich mit der Bevölkerung in ihrer Sprache unterhalten und erklärten ihnen unser Ziel. Am Abend versammelten wir uns wieder am Bahnhof, um weiter zu fahren. Wir hatten jetzt zum ersten Mal einen klimatisierten Wagen.
Einen Tag später erreichten wir Novosibirsk (neues Sibirien), die 3. größte Stadt Russlands und die westliche Hauptstadt Sibiriens. Hier begaben sich die Teilnehmer unseres Waggons zum Hotel »Double Tree by Hilton« – man gönnt sich ja sonst nichts! Nach einem Stadtrundgang und dem Abendessen präsentierten wir uns alle wieder sehr erfolgreich im Stadtpark. Wieder spielte das Orkestra auf und die Bevölkerung war uns gegenüber sehr aufgeschlossen.
Am nächsten Tag ging es weiter durch die unendliche Weite Sibiriens nach Irkutsk, der östlichen Hauptstadt Sibiriens. Nun waren wir 5822 Bahn-Kilometer von Moskau entfernt – Moskau ist weit! Wir erreichten diese Stadt am Abend und unsere Gastgeber hatten alles für uns hervorragend vorbereitet. Am nächsten Morgen fuhren wir mit Kleinbussen in die Stadt. Im Zentrum war der Treffpunkt immer die Statue eines schwarzen Panthers mit einem Zobel im Maul, das Stadtwappen von Irkutsk. Hier nahmen wir an einem Stadtspiel in der Innenstadt teil. Hier gibt es auch eine sehr schöne Fußgängerzone, wohl einmalig in Russland. Gegen Abend starteten wir zu einer Nachttour, die uns zu den schönsten und wichtigsten Sehenswürdigkeiten führte. Am zweiten Tag trafen wir uns alle am Denkmal von Zar Alexander III, am Fluss Angara. Hier wurden mehrere interessante Workshops, wie Perlenstickerei, Bemalen von Steinen, usw. angeboten. Der Waggon Orkestar bot wieder eine ausgezeichnete Darbietung. Viel Prominenz wohnte der Musik und dem Tanz bei. Bürger in ihren typischen Trachten der Gegend brachten ihrerseits Gesänge und ein Solo auf einer Art Maultrommel dar. Am Nachmittag ging es mit mehreren Bussen zum Baikalsee, wo wir in einem Pfadfinderlager untergebracht wurden. In vorbereiteten Zelten auf einer erhöhten Plattform für je 4 Personen richteten wir uns ein. Am Tag darauf wanderten wir zum ca. zwei km entfernten Baikalsee. Hier wurde ausgiebig geschwommen. Nach der Rückkehr zum Lager und einem typisch russischen Mittagessen konnten wir an verschieden Workshops teilnehmen. Am Abend fand die Abschiedsparty mit dem Orkestar statt, da am folgenden Tag die ersten Teilnehmer wieder nach Deutschland zurückkehrten. Jeder Teilnehmer erhielt zum Abschied unter anderem einen Nagel, mit denen die Schienen der Transsibirischen Eisenbahn auf den Schwellen festgemacht wurden.
Am 16. August verließ auch ich das denkwürdige Lager, um mit der Transsibirischen Eisenbahn weiter über Ulan Bator (Mongolei) bis nach Peking zu reisen. Von da aus fuhr ich dann innerhalb von 5 Stunden noch mit dem Jinghu PDL (Schnellzug mit 300km/h) nach Shanghai.
Der ScoutingTrain 2014 ist jetzt Geschichte.
Dieses Abenteuer, an dem ich teilnehmen durfte, wird für mich einen sehr hohen Stellenwert in meiner langjährigen Pfadfinderarbeit einnehmen. Man muss einfach dabei gewesen sein, um diese internationale Zusammenarbeit beschreiben zu können.
Es ist notwendig, die Welt in allen Varianten zu bereisen. Damit meine ich nicht konsumieren anderer Kulturen. Sondern das Treffen mit anderen Menschen in herzzugewandter Offenheit und dem Versuch einer gestalteten Einheit in Verschiedenheit für eine kürzere oder längere Zeit des Lebens. Hermann Graf von Keyserling hat 1911 umfassend verschiedene Kulturen bereist. Sein Werk „Reisetagebuch eines Philosophen“ und seine Worte „Der kürzeste Weg zu Dir selbst, führt um die Welt“ haben/beeinflussen mich bis heute. Und die Werke der Schule der Philosophie in Darmstadt und das Lebenswerk seines Sohnes Arnold. Und natürlich mein Onkel, der 1917 17jährig als in heutigen Sprache Auszubildender für ein große Hannoveraner Handelsfirma nach Russland und China ging. Bis 1949 hat er dort als Kaufmann gelebt und war mit einer chinesischen Prinzessin verheiratet. Ihm verdanke ich den Teil meiner russisch-orthodoxen Erziehung und Beeinflussung als getaufter evangelischer Christ. Aber natürlich gilt auch für eine jeden von uns die Idee: Do not go where the path may lead. Go instead where is no path and leave a trail…….