Liebe Freundinnen und Freunde!
Gerade habt ihr euch zu ganz unterschiedlichen Themen, die uns als Pfadfinderinnen und Pfadfinder in der einen oder anderen Form berühren, ausgetauscht. Dabei ging es darum, wie wir uns als Pfadfinderinnen und Pfadfinder verstehen und wie wir unser Pfadfindertum leben, dieses nach außen zeigen und auch darum, welche Bedeutung wir unserem Pfadfinderseins jenseits des Heimabends oder des jährlichen Pfingstlagers beimessen. Ohne in den einzelnen Runden dabei gewesen zu sein, bin ich mir sicher, dass sehr unterschiedliche Sichtweisen zu Tage gekommen sind. Gerade die Jüngeren unter uns, die bislang vor allem im Rahmen ihres Stammes oder Ringes Bund erlebt haben, wird dies vielleicht verwundert oder teilweise sogar erschreckt haben. Andere sind vielleicht darin bestätigt worden, dass Pfadfindersein ihrer Ideale nur im eigenen Stamm wirklich möglich ist. Für die meisten war es aber wahrscheinlich auch spannend, zu erfahren, was der Blick über den eigenen Stammestellerrand für Einblicke liefert.
Als ich als junger Pfadfinder, später als Meuten- und Stammesführung mit den Kulturunterschieden in unserem Bund konfrontiert wurde, war ich noch nicht so weit, dass ich Unterschiede in unserem Bund als Erweiterung meines pfadfinderischen Horizontes begreifen konnte. Vieles dessen, was in anderen Stämmen unseres Bundes normal oder zumindest toleriert war, erschien mir von der vermeintlich reinen Lehre, die sich für mich aus der Tradition meines Stammes und dem Vorleben meiner damaligen Gruppenführer zusammensetzte, viel zu stark abweichend, als dass ich dem etwas Positives abzugewinnen vermochte.
Mein Eindruck in der Rückschau ist, dass dies nicht nur mir so ging, sondern noch vor fünfzehn, zwanzig Jahren in unserem Bund eine durchaus weitverbreitete Sichtweise war. Es gab starke Kontroversen auf Ring- und Bundesthings, regelrechte Feindschaften wurden zwischen einzelnen Gruppen ausgetragen. Noch vor weniger als zehn Jahren haben wir sehr intensiv versucht, Stile und Formen unseres Bundes zu diskutieren und dabei auch Grenzziehungen in Betracht gezogen. Damals war auch ich ein starker Befürworter dieser Verortung von Grenzen in unserer Gemeinschaft.
Wenn wir heute beieinander sitzen und uns interessiert über verschiedene Sichtweisen in unserem Bund zu Form und Stil austauschen können, dann glaube ich, dass wir wesentlich weiter sind, als große Teile des Bundes, zu denen ich auch gehörte, damals waren. Die Erkenntnis, dass eben die äußeren Formen in unserer Gemeinschaft eine zwar auf den ersten Blick äußerst wichtige, auf den zweiten aber doch eher untergeordnete Rolle spielen, und dass Bund im wahrsten Sinne des Wortes etwas anderes ausmachen muss, leitet doch wohl die meisten von uns heute. Diese Erkenntnis ist unabdingbar notwendig, wenn unser Bundesname »Mosaik« eben nicht nur eine Zustandsbeschreibung der vielen Formen, Stile und Anschauungen in unserer Gemeinschaft darstellen soll, sondern dieses Mosaik – um die Metapher fortzusetzen – ein harmonisches Gesamtbild ergeben soll, welches jeden und jede von uns als ein wesentlichen Element vereinigt. Das Gesamtbild selbst entsteht jedoch sicher nicht allein durch die Verschiedenartigkeit und ihre Duldung! Ein Haufen bunter Steine ergibt noch kein Bild, schon gar kein schönes.
Unser Umgang miteinander, das Vertrauen, das wir uns schenken, die Zuwendung, die wir uns gegenseitig geben, und der Respekt und die vorurteilsfreie Begegnung ist das, was unseren Bund ausmacht und gleichzeitig erlebbar macht.
Was ist also das Bild, das sich ergibt? Was macht es aus? Für mich war und ist die Beschreibung dessen sehr schwierig, denn es handelt sich vor allem um ein Gefühl. Ein Gefühl aber, das jeder von uns hier im Kreis kennt. Wir kennen es in unterschiedlicher Intensität aus unserer Sippe oder Roverrunde, unserem Stammesrat oder auch im Kreis der Älteren des Ringes. Es ist ein Gemisch aus Vertrautheit und Vertrauen, aus Geborgenheit und Selbstbestätigung, aus Zuwendung und Angenommensein. Es ist die Freude des Zusammenseins. So wie wir es in unseren Gruppen leben, so gibt es dieses Gefühl auch in unserem Bund, mehr noch: Es ist unser Bund, macht ihn aus! Dabei ist klar, dass eine so große Gemeinschaft wie die unsere – wir sind hier in Montenegro gerade nur etwa 20 Prozent des Bundes – dieses Gefühl anders vermittelt, als es in der Sippe oder im Stamm gelingt. Meine Erfahrung – und deshalb habe ich auch meinen anfangs erwähnten Standpunkt mit den Erlebnissen, die ich in diesem Bund gemacht habe, überdenken können – ist aber, dass wir überall dort, wo wir als Bund zusammenkommen, durch unseren Umgang miteinander genau dieses Verbundenheitsgefühl – hier steckt das Wort Bund schon drin – schaffen. Das habe ich auf Stammesführungs- und Meutenführungsschulungen ebenso erlebt, wie auf Bundessingefesten oder eben hier auf der Bundesfahrt. Unser Umgang miteinander, das Vertrauen, das wir uns schenken, die Zuwendung, die wir uns gegenseitig geben, und der Respekt und die vorurteilsfreie Begegnung ist das, was unseren Bund ausmacht und gleichzeitig erlebbar macht. Dass uns dies oftmals gar nicht bewusst wird, liegt an der Selbstverständlichkeit, die wir dafür empfinden, gerade weil wir Teil dieses Bundes sind und sein Wesen bereits verinnerlicht haben. Erst nachdem ich andere Bünde und ihren Umgang mit- und untereinander kennengelernt hatte, wurde mir das Wesen unseres Bundes tatsächlich deutlich.
Die Verschiedenartigkeit ist deshalb nur äußerer Ausdruck unserer Gemeinschaft, die eben nicht auf Äußerlichkeiten besonderen Wert legt, sondern sich über Innerlichkeit herstellt. Diese muss immer neu gewonnen werden, durch unser gemeinsames Tun, durch Aufeinanderzugehen, durch Kennen- und Schätzenlernen der Menschen, die unseren Bund ausmachen. Hierzu braucht es vor allem auch Toleranz. Sie ist der Kitt in den Mosaikfugen, ohne sie flöge das schöne Bundesbild schnell auseinander und seine vielfältigen Steinchen blieben doch nur wieder für sich allein.
Toleranz ist nicht mit Gleichgültigkeit oder Beliebigkeit gleichzusetzen. Auch heute noch stellen sich mir die Nackenhaare auf, wenn ich offene Klufthemden oder Tarnfleckhosen sehe, immer noch finde ich Weißzelte unästhetisch und Taschenlampenlicht auf dem Lagerplatz stimmungstötend, nach wie vor singe ich lieber Fahrtenlieder als Popsongs. Ich bin aber in der Lage, hinter der äußeren Erscheinung in erster Linie den Menschen zu sehen, der mir gegenübersteht. Das habe ich in den vergangenen Jahren durch diesen Bund gelernt.
In dieser bunten und doch verbundenen Gemeinschaft wollen wir jetzt unseren Bundesabend zusammen in einer Singerunde feiern.
Mitreden!