Wenn Ihr diesen oder bereits den letzten haddak aufmerksam gelesen habt, dann wird Euch aufgefallen sein, dass wir uns als Redaktion bemühen zu
gendern. Aber was ist »gendern« überhaupt? Und besonders: Warum gendern wir?
Gendern bezeichnet die Bestrebung, durch Sprache die Gleichstellung aller sozialen Geschlechter auszudrücken. Und damit sind wir gar nicht so früh dran: Schon seit vielen Jahren gibt es Forschung und Initiativen zu gegenderter Sprache. Gerade heutzutage wird das Thema in vielen Universitäten, Arbeitsstätten und Vereinen kontrovers diskutiert. So auch bei uns im Bund.
Wenn wir hier beispielsweise nur von Pfadfindern sprechen würden, dann würden wir das generische Maskulinum verwenden. In erster Linie wären damit Männer angesprochen und Frauen „mitgemeint“, wie es so oft heißt.
Damit Frauen aber auch konkret angesprochen werden, ist es wichtig, diese auch sichtbar zu machen. Um aber auch Personen, die sich nicht auf ein soziales Geschlecht festlegen wollen oder können, mitanzusprechen, kann auch genderneutral formuliert werden oder dies durch ein Gendersternchen oder den Gender-Gap angezeigt werden.
Beispiele hierfür wären:
Pfadfindende (der genderneutrale Begriff),
Pfadfinder*innen (Gendersternchen),
Pfadfinder_innen (Gender-Gap).
Ihr seht: Bei diesem Begriff ist der genderneutrale Begriff eher ungewohnt. Ein anderes Beispiel, bei dem es direkt – zumindest für mich – flüssiger klingt, wäre statt »Studenten« der Begriff Studierende. Puh, klingt erstmal wesentlich komplizierter, als es eigentlich ist!
Es gibt – wie bereits oben angedeutet – so viele verschiedene Arten zu gendern, warum haben wir uns als haddak-Redaktion für den * entschieden?
Diese Variante – genau wie der _ – drückt aus, dass es verschiedene soziale Geschlechter gibt, die alle gemeint sind. So können sich alle unsere Leser*innen angesprochen fühlen.
Unabhängig von uns als Redaktion haben sich ein paar Menschen im Bund zusammengesetzt und sich Gedanken darüber gemacht, wie wir bald im
Bund gendern könnten. Außerdem gibt es natürlich schon ganz viele Menschen außerhalb der Pfadfinderei, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Die Meinungen sind da natürlich auch durchaus divers.
Auf dem diesjährigen Bundesthing wird es im Rahmen einer Verfassungsänderung nun sogar auch zur Abstimmung stehen, ob und wie darin gegendert werden soll. Diese Entscheidung steht offensichtlich auch dafür, wie wir in Zukunft im Bund mit dem Thema Gender umgehen wollen. Der genaue Vorschlag von der Arbeitsgruppe zum Thema Gendern: Zuerst schauen, ob es einen genderneutralen Begriff gibt (beispielsweise Pfadfindende). Gibt es diesen nicht oder klingt er sehr umständlich, dann mit dem _ gendern (beispielsweise Pfadfinder_innen).
Klingt kompliziert? Die haddak-Redaktion präferiert das *, die Arbeitsgruppe schlägt den _ vor, im Endeffekt meinen aber beide das Gleiche. Am Anfang ist das Gendern umständlich. Und ja, manchmal ist es auch nervig. Aber die gute Nachricht: Es ist Gewöhnung. Es ist ausprobieren und, nein, es muss auch nicht immer perfekt sein, sondern es ist ein (langsamer) Prozess.
Der nächste Schritt ist natürlich nicht nur beim Schreiben, sondern auch beim Sprechen zu gendern. Das * kann beispielsweise durch eine kleine Pause symbolisiert werden: PfadfinderGANZKURZEPAUSEinnen.
Klar, das erfordert noch mehr Übung als einen Text genderneutral zu formulieren, immerhin kann ich hier noch einmal drüberlesen und verbessern. Hat einmal das Wort meinen Mund verlassen, kann ich nur schnell ein „ääh innen“ hinterher schieben. Und wer kennt es nicht? Jede*r redet bestimmt mal schneller, als er*sie in dem Moment denkt. Auch hier gilt: Wir sind nicht perfekt! Und: Es ist Gewöhnung, einfach ausprobieren!
Oft sind genau das die Argumente gegen das Gendern: Es sei anstrengend und ungewohnt. Und Frauen wären ja bereits „mitgemeint“. Bis jetzt haben ja auch so alle verstanden, dass mit Pfadfindern nicht nur Jungs und Männer gemeint sind. Warum sollte man etwas ändern, was bisher bereits funktioniert hat?
Doch manchmal muss es vielleicht erstmal anstrengend und ungewohnt – anders und umständlich – sein, damit man sein bisheriges Handeln reflektiert und kritisch über das Thema nachdenkt.
Darauf kann ich nur erwidern: Sprache beeinflusst unser Denken. Es gibt beispielsweise Studien, die besagen, dass Kinder Berufe, die als „typisch männlich“ gelten als für sie erreichbarer einschätzen, wenn sie geschlechtsneutral formuliert werden. Das wäre jetzt eigentlich ein guter Zeitpunkt, um über Stereotype in unserer Gesellschaft zu reden (Was sind denn eigentlich „männliche Berufe“?), aber dieser Artikel soll ja am Ende nicht den gesamten haddak ausfüllen.
Jedenfalls ist es auch bei uns im Bund sehr wichtig, dass alle die gleichen Chancen haben – dann lasst uns das doch auch in der Sprache zeigen! Außerdem ist unsere Sprache wandelbar. Dufte und knorke sind Wörter, die früher verwendet wurden – heute können wir darüber nur lächeln. Wir
haben das Jahr 2019! In unserem Bund haben wir beispielsweise 41 Prozent Mädchen und Frauen. Sollten diese wirklich nur „mitgemeint“ sein? Wäre es nicht besser, wenn diese auch sprachlich konkret angesprochen werden?
Ich hoffe, dieser Artikel zeigt, dass nichts „verboten“ wird. Sondern es ist ein Ausprobieren, ein Bewusstsein schaffen. Außerdem wird manchmal angebracht, dass es ja nur eine Minderheit wäre, die sich für das Gendern ausspricht und es ja auch genug Mädchen und Frauen gäbe, die von sich selber als Pfadfinder oder Schüler reden. Aber es macht einen Unterschied, ob ich mich selber so nenne oder andere mich so bezeichnen.
Es ist wie mit dem Aufbau einer Kohte: Beim ersten Versuch haben wir noch gedacht, wie kompliziert das alles ist. So ein Wurfzelt wie beim Camping mit den Eltern wäre doch viel praktischer. Von unserem*unserer Sippenführer*in haben wir erklärt bekommen, wie man die Kothe aufbaut. Die nächsten Male ging es schon viel schneller, bis wir es irgendwann fast im Schlaf konnten und es überhaupt nicht mehr umständlich war. Learning by doing halt. Mit der Sprache ist es genauso.
Was ist das soziale Geschlecht?
In der Wissenschaft wird zwischen biologischem und sozialem
Geschlecht unterschieden – auf Englisch sex und gender.
Das biologischeGeschlecht beschreibt die körperlichen Merkmale.
Hingegen wird das soziale Geschlecht durch die Gesellschaft geprägt
und durch Wiederholungen gefestigt – also welche Erwartungen
die Gesellschaft an ein bestimmtes Geschlecht hat, beispielsweise an Mädchen hat. Das soziale Geschlecht muss nicht mit dem biologischen übereinstimmen.
Hier ist ein Youtube-Video der FUMA Fachstelle Gender & Diversität NRW, die sehr anschaulich das soziale Geschlecht erklärt:
https://youtu.be/XnqfiIwg2gU
Quellen:
Studie der Freien Universität Berlin zu den erreichbaren „männlichen“ Berufen (leider nur auf Englisch):
Vervecken, D., & Hannover, B. (2015). Yes I can! Effects of gender fair job descriptions on children’s perceptions of job status, job difficulty, and vocational self-efficacy. Social Psychology, 46(2), S. 76-92.
Villa, Paula-Irene (2012). Judith Butler. Eine Einführung. Campus Studium.
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