Alle drei Jahre stellen sich die Führungen des Bundes dieselbe Frage: „Wohin soll die nächste Bundesfahrt gehen?“ Ein Thema, das polarisiert und mit vielen Emotionen behaftet zu sein scheint.
Oft stehen auch Ziele zur Wahl, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Aber welche Faktoren spielen bei der Wahl denn nun eine Rolle?
Bei meinen Recherchen in alten Bundesrats- und Bundesthingdokumenten bin ich unter anderem auf eine Präsentation von Adrian gestoßen, der damals die Fahrt nach Montenegro leitete. In dieser zeigte er für jedes seiner sechs vorgeschlagenen Fahrtenziele auf, welche Zielgruppen, also welche Stufen, angesprochen werden und mit wie vielen Teilnehmenden zu rechnen ist. Außerdem stellte er die gleiche Frage, die ich heute auch stelle:
Was wollen wir mit der Bundesfahrt erreichen?
Wofür und für wen ist sie eigentlich gedacht?
In meiner Wahrnehmung gibt es da vor allem zwei Strömungen – in ihren Extremen dargestellt:
Zum einen jene, die in die weiteste und abenteuerlichste Ferne schweifen wollen, die „exotische“ Länder, ihre Bevölkerung und Kultur erleben und
bestaunen möchten.
Zum anderen jene, die alle Mitglieder des Bundes dabeihaben möchten, die den gesamten Bund versammeln und diesen erleben möchten.
Diese Ziele sind nicht zwingend unvereinbar, aber „Exotik“ und Ferne machen meist den Jüngsten im Bund einen Strich durch die Rechnung. Hier steigen die Reisezeit, Anreisekosten und auch die Bedenken der Eltern. Außerdem – zumindest behaupte ich das – sinkt die Bereitschaft der Führungen, ihre möglichen Erlebnisse auf einem Haik für den Verbleib mit den Wölflingen auf einem Lagerplatz zu opfern.
Nochmal zurück in die Vergangenheit.
Bis heute kann man sich fragen: Wie konnte sich Montenegro eigentlich damals durchsetzen? Das Ziel, das Wölflinge und einen großen Anteil der Pfadfinderstufe von vornherein ausschloss und 30 Stunden Anreisezeit bedeutete? Auch Nord-Italien stand damals schon zur Wahl, was, wie wir heute – nach der letzten Bundesfahrt ins Friaul – wissen, gerade von den jüngeren Stufen sehr gut besucht wurde.
Sowohl auf der Bundesfahrt in Montenegro als auch letztes Jahr im Friaul war ich als Teilnehmer dabei und konnte mir einen Eindruck machen. Außerdem habe ich die Nachbereitungen in den Gremien unseres Ringes und des Bundes gehört und diese auch noch einmal in den Protokollen nachgelesen.
Beide Fahrten wurden viel gelobt, denn die Planungsteams haben sich beide richtig reingekniet und dem Bund ein großartiges Lager geplant. Beide Länder boten für die Wandertouren der einzelnen Gruppen schöne, abwechslungsreiche Landschaften.
Aber was beide Fahrten unterscheidet: Montenegro war ein Ziel für Rover und Ältere und als solcher habe ich es auch sehr genossen.
Das Lager im Friaul hingegen war erfrischend jünger und viel lebendiger.
Mal zum Vergleich: In Montenegro waren knapp 200 Pfadfinder*innen und 240 Rover.
Im Friaul hingegen nebst 300 Pfadfindern und 300 Rovern auch 100 Wölflinge.
Welche Fahrt hat also nun
durch ihre Rahmenbe-
dingungen eher die Ziele einer Bundesfahrt erreicht?
Dabei möchte ich noch einmal betonen, dass fürmich außer Frage steht, dass beide Planungsteams hervorragende Arbeit geleistet haben. Nahezu allein die Wahl des Fahrtenziels bestimmt die Anzahl und Struktur der Teilnehmenden und damit auch die Gestaltung und das Ergebnis der Fahrt.
In meinen Augen kann eine Bundesfahrt nur eine Fahrt des Bundes sein, wenn sie sich auch an den ganzen Bund wendet. Das kann aber nicht nur meinen, dass theoretisch alle mitfahren könnten. Das Lager und damit auch das Fahrtenziel sollte eine Teilnahme aller Mitglieder des Bundes möglichst
begünstigen.
Damit steht eigentlich außer Frage, dass das Fahrtenziel ein nahe gelegenes sein muss. Aber „nah“ verknüpfen die meisten leider eher mit Begriffen wie bekannt, alltäglich und langweilig.
Diese Bedenken gab es auch vor Nord-Italien. Ich kann mich weder an eine solche Kritik in der Nachbereitungder Fahrt erinnern, noch ist sie in einem Protokoll vermerkt. Ganz im Gegenteil. In einem heißt es sogar: „Muss das Fahrtenziel immer sehr weit weg sein, wenn man auch ,um die Ecke‘ ein cooles Lager für viele Leute machen kann?“
Liegt das Gute vielleicht doch so nah? Haben wir tatsächlich schon jeden nah gelegenen Winkel erkundet? Oder ist es vielleicht eigentlich egal, wo man hinfährt, solang wir nur zusammen fahren?
Diese Fragen sollten sich die eingangs erwähnten Teilnehmenden des Bundesthings stellen, ehe sie über das nächste Bundesfahrtenziel entscheiden.
Nun zählen diese Führungen und die Delegierten – und damit auch ich – aber naturgemäß eher zu den Rovern und Älteren.
Aber welche Interessen haben denn eigentlich die Wölflinge des Bundes?
Spontan – und damit zugegebenermaßen nicht repräsentativ – habe ich aber zumindest mal in meinem Stamm direkt nachgefragt.
Unsere Wölflinge haben mir erzählt, dass sie die Bundesfahrt spannend fanden. Ein so großes Lager hat sie beeindruckt, manchen sogar fast ein bisschen Angst gemacht. Trotzdem hatten sie viel Spaß am Programm, das sie besonders berücksichtigt hat. Sie haben das Gefühl, viele andere Wölflinge kennengelernt zu haben und freuen sich deshalb auch auf andere Bundesaktionen. Auf die nächste Bundesfahrt würden sie sehr gerne fahren, die letzte hat ihnen sehr gut gefallen.
Auch im Stamm Wikinger habe ich fragen lassen. Die Antworten fielen hier ganz ähnlich aus, auch wenn sie sich eher auf andere Bundesaktionen wie
das BuSiFe bezogen. Bei unseren Wölflingen, aber auch bei den Führungen,
ist zudem das Wölflingslager des Ringes unmittelbar vor dem Bundeslager sehr gut angekommen. So konnten wir die Rahmenbedingungen für die Teilnahme unserer Jüngsten bedeutend verbessern.
Ich appelliere nun also abschließend an all jene, die diese Entscheidung am Ende gemeinsam treffen, vielleicht noch einmal über die Zielsetzung der Bundesfahrt nachzudenken, darüber zu diskutieren und dabei die Interessen aller Mitglieder des Bundes zu bedenken. Ein „exotisches“ und fernes Lager für Rover und Ältere könnte auch unabhängig von einer Bundesfahrt in einem anderen Jahr stattfinden.
Ich persönlich möchte auf dem nächsten Bundeslager wieder viele Wölflinge und Pfadfinder mit Begeisterung am Lager und für den Bund teilnehmen sehen.
Mitreden!