Die LCD-Bildschirme tauchen den Raum in ein fahles Licht. Auf zwei Tischen verteilt stehen sechs Laptops, jede Menge Chips und ein paar Alibi-Mandarinen. Abgesehen vom Lüfterrauschen der Laptops und dem leisen Klicken der Tastaturen und Mäuse ist nichts zu hören, obwohl sich sechs Menschen in dem Raum befinden. »Ahh! Beim Eintreten in ein Haus fragt der Weihnachtsmann: ›Gibt es brave Kinder hier?‹« durchbricht Marie die konzentrierte Ruhe mit einem erleichterten Ausruf. Simon gibt die Antwort rasch ins Webformular ein und klickt auf »Absenden«. Nur ein paar Minuten später erscheinen tatsächlich die zusätzlichen 10 Punkte in der Tabelle. Super, wir befinden uns auf dem 4. Platz! Jedenfalls im Moment.Es ist 20:20 Uhr. Seit 1 ½ Stunden läuft die Internetnacht 2009 des DPBM nun schon. Die Internetnacht startete ein wenig verspätet, weil es anfangs Probleme mit der Erreichbarkeit des Servers gab. Der Andrang war anscheinend zu groß. 28 Teams aus dem ganzen Bund nehmen teil. Die Teamgröße reicht von Sippen- bis Meutenstärke. Hier, in Mainz, geht das Team »Schandkeks« aus dem Stamm Backstube an den Start. Man will anonym bleiben. Mit dabei sind: Willi Wasser (Tob), Herbert Hefe (Curry), Paula Puderzucker (Sonja), Roman Rosine (Simon) und Martha Marzipan (Marie).
Die Internetnacht 2009 ist ein virtuelles Roadmovie quer durch Europa: nach und nach erscheinen auf der zentralen Google Maps-Karte die Stationen in Europa. Jede Station wartet mit kniffligen Fragen und Aufgaben auf die teilnehmenden Teams. So muss man zum Beispiel herausfinden, wieso Nokia Nokia heißt. Tob ruft dafür sogar die Hotline von Nokia an – ohne Ergebnis: der freundliche Mitarbeiter in Irland weiß das auch nicht. Die Antwort findet sich aber nach ein wenig Suchen in den Tiefen der Unternehmenswebsite von Nokia: Ursprünglich war Nokia eine Firma, die Papier herstellte. Ihre zweite Fabrik lag am Fluss Nokianvirta. Daher der Name. Schwieriger wird es da schon bei Frage 4. In Maarianhamina (Finnland) erhalten wir nämlich eine Audiodatei. Nach dem Öffnen stellen wir fest: Morsecode. Also setzen sich drei von uns hin, lauschen konzentriert und versuchen die Längen und Kürzen richtig zu notieren. Sonja schafft’s schließlich, den Code korrekt zu notieren. Jetzt noch schnell unter morsecode.scphillips.com eingeben und entschlüsseln lassen – voilà: »Die Lappen wollen Samen genannt werden.« Wieder gibt’s Punkte!
Weiter geht’s mit der nächsten Frage: »Wieviele Fenster befinden sich in der oberen Reihe auf der Nordseite des Haupthauses der Burg von Turku?« Beim Lösen merken wir, wie nah die Ferne der Heimat gekommen ist. Mit Open Street Map finden wir heraus, wie der Gebäudegrundriss des Schlosses in Helsinki aussieht und wo die Nordseite zu finden ist. In Wikipedia schließlich finden wir mehrere Ansichten des Gebäudes. Nach kurzer Orientierung steht die Antwort fest: 12 Fenster. Eine Feststellung, die wir über 1000 km weit weg getroffen haben, ohne, dass wir jemals da gewesen wären.
Neben kniffligen Fragen gibt’s aber auch kreative Aufgaben. Die allererste Station stellt dem Team »Schandkeks« schon eine solche. Das Team soll sich auf einem Gefährt fotografieren. Nach längerer Suche ist ein passendes Bild geunden: ein schönes Schaukelpferd. Jetzt nur noch verkleiden, dann ab ins Wohnzimmer zum Fotografieren. Schön in die Knie gehen, schließlich sitzen wir auf einem Schaukelpferd! Danach noch die Bildmontage am Computer – fertig: alle sechs sitzen auf dem Schaukelpferd. Später müssen wir noch etwas singen oder ein Daumenkino basteln.
Zu tun gibt es also genug an diesem Abend. Von 18 Uhr abends bis weit nach Mitternacht sind wir laufend beschäftigt. Abgesehen vielleicht von der stilechten Pizzapause. Am Anfang – wir nehmen ja das erste Mal teil – geht’s bei der Beantwortung der Fragen noch etwas chaotisch zu. Manchmal arbeiten mehrere Leute an einer Frage, manchmal verliert man sich bei der Suche nach der Antwort auch in irgendwelchen Websites. So geht es zumindest Marie, die sich irgendwann ganz in Weihnachtsgeschichten vertieft hat. Nach zwei Stunden haben wir aber den Bogen ein wenig raus: Simon organisiert nun etwas die Fragenzuteilung und hat den Punktestand im Blick. Routiniert und gelassen wird nach Antworten gesucht oder für die kreativen Aufgaben gebastelt.
Erst gegen Ende – es ist mittlerweile kurz vor zwölf – kommt Hektik auf: welche Fragen können wir jetzt noch beantworten, welche Aufgaben lösen? Wir setzen nochmal alles daran, auf den letzten Metern alle Punkte mitzunehmen, die man irgendwie einheimsen kann. Dann ist es 0:20 Uhr. Das Spiel ist zu Ende. Wir warten gespannt auf die Ergebnisse, müssen uns aber mit nicht gerade beruhigenden Meldungen der Spielleiter zufrieden geben: »So knapp war es noch nie!« Die Zeit zieht sich in die Länge. Dann steht das Ergebnis fest: Wir landen auf dem 6. Platz. Nicht schlecht fürs erste Mal. Den 1. Platz belegen die Seepferdchen zur Götterdämmerung vom Stamm Silberfüchse.
Die erste Internetnacht wird für uns nicht die letzte gewesen sein! Der virtuelle Hajk durch Europa übertraf die Erwartungen. Lustige und knifflige Fragen, witzige Bastelaufgaben – es war alles dabei. Obwohl der Autor dieser Zeilen anfangs gar nicht mitspielen wollte, wurde er rasch mitgerissen und fand sich paar Stunden später beim Suchen nach der Entfernung Mond–Venus wieder.