Mosaikidee
»Gemeinsam gestalten wir den Bund.« So lautete das Motto unseres Bundeslagers im Jahr 1980. Damals hieß unser Bund noch Deutscher Pfadfinderbund Westmark, doch als einige Jahre später die damals Aktiven mit dem Namen und seiner Geschichte haderten, wurde ebendieses »MOSAIK«-Lager namensgebend für uns. Denn aus dem damaligen Lagerthema und dem dahinterliegenden Grundgedanken wurde das zentrale Leitmotiv für unseren Bund. Die Mosaikidee besagt:
Solange die Steine eines Mosaiks, trotz ihrer unterschiedlichen Schattierungen, gemeinsam ein harmonisches Bild ergeben, solange kann Vielfalt sinnvoll und fruchtbar sein.
Die Mosaiksteine sind dabei eine Metapher für die einzelnen Stämme oder auch die einzelnen Mitglieder unseres Bundes: Kaum ein Stein gleicht dem anderen – und trotzdem ergeben wir gemeinsam ein Bild, ein Ganzes. Und so wie jeder Ring, jeder Stamm, jede Gruppe, jede_r Einzelne jeden Tag aufs Neue sein oder ihr Pfadfinderleben individuell in die Hand nimmt, so ergibt doch die Gemeinschaft des Bundes stets mehr als nur die Summe seiner Teile: Ein schönes Mosaik ist mehr als eine zusammengewürfelte Anhäufung von Steinen.
Das Narrativ der Mosaikidee hat unseren Bund bis heute getragen und wird uns zweifellos auch in Zukunft tragen. Wie die Idee konkret ausgelebt wird, ist jedoch von Teilen des Bundes auch in Frage gestellt worden. So waren mitunter auch solche Stimmen zu hören:
- Der Bund macht es sich zu leicht. Er geht notwendigen Diskussionen aus dem Weg.
- Fragwürdige Einstellungen anderer Stämme werden nicht besprochen, sondern mit dem Totschlagargument beiseite gewischt, dass jeder Stamm eh machen kann, was er will.
- Wenn alles gleichwertig ist, ist es irgendwie auch egal, was wir im Bund machen.
- Es ist enttäuschend wenig, was alle Stämme des Bundes verbindet.
- »Bunt ist der Bund«, das klingt toll, ist aber irgendwie auch nichtssagend.
Selbstvergewisserung
»Was macht unseren Bund aus?« Diese Frage stellen sich in den letzten Jahren regelmäßig die Teilnehmenden in den Kaminrunden der Stammesführungslehrgänge. Oft taten sie sich schwer, darauf eine gute Antwort zu finden. Und manchmal war das Diskussionsergebnis nicht für alle zufriedenstellend. Zwar gibt es mit unserer Bundesurkunde ein offiziell beschlossenes und schriftlich festgehaltenes Selbstverständnis, aber die pädagogische und geistige Grundlage unseres Bundes bedarf der ständigen Weiterentwicklung und der Anpassung an veränderte Bedingungen.
»Was der Bund braucht, ist eine Selbstvergewisserung«, lautete Davids Analyse, als er seine Wahlrede beim letzten Bundesthing hielt. »Eine Vergewisserung über sich selbst und darüber, was ihn ausmacht.
Wenn ich hier vom Bund spreche, finde ich es wichtig, dass sich alle Stämme selbst als Teil des Bundes begreifen. Nicht die Bundesführung ist der Bund oder Bundesrat oder Thing, nicht die anderen Ringe oder Stämme sind der Bund, sondern ihr stets mit ihnen.
Das Mosaik-Leitbild verbindet mit der individuellen Freiheit, die alle Stämme erhalten, zugleich den Auftrag und das Bestreben, nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Oder anders gesagt: Bei aller Individualität dürfen wir einander nicht so fremd werden, dass wir nicht mehr miteinander klarkämen.
Und deshalb finde ich es wichtig, dass der Bund (sich) diskutiert. Dabei geht es manchmal weniger um das Ergebnis einer Abstimmung, sondern um den Weg dahin. Es geht darum, dass wir lernen können, was anderen an unserer Gemeinschaft wichtig ist –und was nicht.
Wir schärfen dadurch die Konturen unseres Mosaiks. Und diese Selbstvergewisserung – davon bin ich überzeugt – gibt nicht nur uns selbst, sondern auch der nächsten Generation in den Stämmen eine wesentliche Orientierung und Sicherheit für ihre Arbeit.«
Wertediskussion
Wir streben also eine erneuerte und vertiefende Verständigung über unsere gemeinsamen Grundwerte an. Die ersten Schritte dazu sind bereits getan: Auf dem Bundesrat im Herbst 2020 haben wir mit Bundesführung und Ringführungen aus einer Liste von etwa 80 Werten die aus unserer Sicht wichtigsten herausgesucht und diskutiert. Danach haben wir ein gemeinsames Gesamtbild entworfen, wie diese Werte für unseren Bund gewichtet und in einem inhaltlichen Zusammenhang gestellt werden können.
»Wertvorstellungen oder kurz Werte bezeichnen als erstrebenswert oder moralisch gut betrachtete Eigenschaften bzw. Qualitäten, die Objekten, Ideen, praktischen bzw. sittlichen Idealen, Sachverhalten, Handlungsmustern, Charaktereigenschaften oder auch Gütern beigemessen werden.« (Definition nach Wikipedia)
Nach Meinung des Bundesrates gehören Gemeinschaft, Verantwortung, Erlebnis und Fahrt zu den verbindenden und wertvollsten Eigenschaften und Qualitäten unseres Bundes.
Doch damit ist nur der Anfang gemacht. Denn zum einen wäre das Bild ohne die Meinung der »Basis« natürlich unvollständig. Und zum anderen ist mit einer reinen Aufzählung und Anordnung von Begriffen noch kein gemeines Verständnis hergestellt.
Manchmal stellte sich in der Diskussion nämlich auch heraus, dass unter den Begriffen durchaus etwas Anderes verstanden wurde. Es gilt also zu klären, nicht nur wieviel, sondern auch was uns manche Werte bedeuten. Beispielhaft hat reni nebenan ihre Gedanken zum Wert der Fahrt festgehalten.
Standpunkt: Der Wert der Fahrt
Es muss die Fahrt sein. Irgendwie lame, aber irgendwie klar. Warum steht die überhaupt als Wert hier drin? Ist das nicht mehr Methode, wie wir Dinge tun und nicht, warum wir sie tun? Und ist es nicht sogar ein bisschen höhnisch, gerade jetzt über Fahrt zu schreiben, wenn wir alle seit einem Jahr mit Bestimmungen, eigener und andererleuts Motivation darum ringen, in irgendeiner Form auf Fahrt gehen zu können?
»Der Weg ist das Ziel« ist so … abgedroschen. Aber abgedroschen heißt nicht unbedingt falsch und manchmal hilft es, sich auch die offensichtlich wichtigen Dinge nochmal zu vergegenwärtigen. Fahrt ist Langsam-unterwegs-sein. Einfach und bewusst leben. Mein ganzes Leben sei ein Fahren. Die gleichen kalten Nächte und Sonnenbrände und leere Wasserflaschen und Lieder und wiedergefundene Pfade und Dorfeinheimische und buckeligen Waldboden und Hügelkettenhorizonte und Grenzerfahrungen und nasses Feuerholz und Diskussionen und Milchstraße zusammen erleben. Kohtenplanen riechen.
Es ist eben nicht egal, wie wir Gemeinschaft erlangen. Fahrt macht es persönlich. Ich weiß nicht, auf welche Schule du gehst und du weißt nicht, wie mein Zimmer aussieht oder was mein Nachname ist. Aber du weißt, ob ich schnarche und ich weiß, wie du bist, wenn du dich außer Atem den Berg hinauf schleppst. Wie du verletzlich bist und mit Schwierigkeiten umgehst. Denn selbst auf einer Wochenendfahrt sind wir uns gegenseitig und der Unvorhersehbarkeit von Schlafplatz, Feuerholz, Stimmung und Versalzung des Essens ausgesetzt. Wir sind im schönsten Sinne abhängig voneinander. Alle werden gebraucht und deswegen passen wir auf alle auf. Auf die anderen und auf uns selbst. Wenn wir uns nicht aufeinander verlassen können, funktioniert es nicht. Und deswegen weiß ich, dass ich mich auf die Gruppe verlassen kann.
Fahrt nimmt uns heraus aus allem, was zu Hause ist. Anders als zu Hause kann ich mich dem Erlebnis nicht entziehen. Selbst beim Heimabend kann ich, wenn es mich gerade nicht so packt, einfach die zwei Stunden aussitzen. Tagelang oder gar drei Wochen auf Fahrt aussitzen geht nicht. Wir müssen das Wagnis eingehen, uns aufeinander einlassen und durch dick und dünn gehen. Es ist, als würden wir alle für die Zeit der Fahrt zusammen unter einem Dach wohnen. Nur schöner.
Aber warum geht es denn gerade jetzt um Fahrt, da wir es doch so schwer haben, sie wie sonst zu begehen? Gemeinschaft ist da. Verantwortung auch, manchmal mehr, als wir tragen können. »Nur« Fahrt fehlt. Und doch irgendwie alles.
Und wie geht’s weiter?
Am Wochenende vom 26.-28. November dieses Jahres treffen sich alle Ring- und Stammesführungen auf der Burg Ludwigstein. Dort findet in verschiedenen Workshops und Aktionen die nächste große Etappe der Werte-Diskussion statt. Konkret soll es darum gehen, auf welche unterschiedlichen Arten und Weisen die gemeinsamen Werte umgesetzt werden können – ganz im Sinne der Mosaikidee. Vorbereitend dazu findet ab dem Sommer auf digitalem Weg eine Vorauswahl statt, welche Bereiche die Stämme an dem Wochenende besonders in den Fokus nehmen wollen.
Apropos digital: Wir bereiten uns derzeit darauf vor, dass das Wochenende hoffentlich wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden kann, und wollen die Aktion dann thematisch auch mit einem Neustart der Stämme und Gruppen in einer Post-Pandemie-Zeit verbinden. DPBM reloaded…
Wir freuen uns auf euch!
Eure Bundesführung
David, Jake, reni, Resi, Troll
Mitreden!