Wenn ich mich recht erinnere, begann alles mit einem Flyer auf dem Küchentisch zuhause. Als hätten Mama oder Papa den da zufällig liegen lassen. Über Auslandsaufenthalte in der elften Klasse, für ein Jahr. Perfide spekulierten sie auf mein Fernweh, auf meine Neugier, meine Sehnsucht nach der Welt, nach Neuem, Anderem. War es nicht das, was auch ihr Leben angetrieben hat? War das nicht der Grund, dass die Pfadfinder es so lang schafften mich von World of Warcraft fernzuhalten? Sie hatten – so ist es leider häufig bei Eltern – völlig recht. Und mit ein bisschen mehr oder weniger subtiler Manipulation ihrerseits bastelte ich schon bald an meiner Bewerbung für ein Jahr in einer chinesischen Schule und Gastfamilie.
Warum China?
Viele fragten mich schon damals und tun es noch heute, »warum China?«. Gar keine so schwierige Frage, fand ich eigentlich immer. Abgesehen von ein paar familiären Faktoren, die diesen Rahmen hier sprengen würden, war eins immer ausschlaggebend: Exotik. »In die USA kannst du auch, wenn du 50 bist. Und Englisch lernst du eh.«, war, was meine Eltern recht unverblümt zu meinem ersten Vorschlag sagten. Und sie behielten recht, denn von all meinen Reisezielen fasziniert mich China bis heute am meisten. Immer wieder versetzt das Land meiner Einbildung, mich gut auszukennen, einen kräftigen Dämpfer. Immer wieder erlebe ich Situationen, die mich in ihrer Widersprüchlichkeit zum bisher Erlebten stets auf’s neue fesseln.
Die bis zu Sardinendosendimensionen gefüllten Metros von Beijing, aber die unberührte endlose Weite des Himalaya. Der Kaffee, der so viel kostet wie drei warme Mahlzeiten. Die chinesischen Touristen, die Fotos mit mir machen, um sie ihren Freunden zu zeigen, aber auch die Wanderarbeiter, die sich mit mir unterhalten als wäre ich einer von ihnen. Das Wirtschaftszentrum Asiens mit dreiundzwanzig Millionen Einwohnern, in dem man sowohl Pferdekarren auf Hauptstraßen findet als auch die einzige Magnetschwebebahn der Welt (430 km/h!).
Klar, das war auch für mich als jugendlichen Tausendsassa deutlich weniger einfach zu ertragen als ich es in meinem Übermut zunächst vermutet hatte. Klar gab es Tage an denen ich völlig geplättet ins Bett fiel und nicht ein noch aus wusste, weil einfach alles zu verrückt war.
Und ja, klar, Chinesisch lernt sich nicht aus dem Handgelenk, und ohne bleiben einem oft nur Hände und Füße. Aber allein die Ego-Streicheleinheiten, die man für schon die rudimentärsten Chinesischkenntnisse von sich und anderen bekommt, sind den Aufwand mehr als wert.
Das alles war für mich Grund genug, auch im Studium noch einmal ein Jahr im Reich der Mitte zu verbringen. Diesmal eine bewusstere Entscheidung, dieses Mal würde ich auf mich allein gestellt sein, ohne Gastfamilie, ohne Schule, nur das lustige Studentenleben aus Deutschland am anderen Ende der Welt fortführen. Chinesisch lernen als Auszeit vom Jurastudium. Schriftzeichen statt Paragraphen. Eine gute Entscheidung. Wie die meisten bin auch ich mit 23 etwas klüger, oder zumindest anders klug, als mit 16. Drum konnte ich erst jetzt vieles lernen, tiefer in die Kultur eintauchen, viel reisen, viele nette Leute kennenlernen und all das nachholen, was mir zuvor von außen verwehrt oder von innen egal war.
Wenn auch ihr euch mit dem Gedanken tragt, ins Ausland zu gehen, kürzer, länger, allein, mit anderen, mit 15 oder mit 20 oder mit 40, denkt doch auch mal an das in jeder Hinsicht andere Ende der Welt. Es lohnt sich!
Fragen?
- Schüleraustauschorganisationen: www.yfu.de; www.afs.de
- China-Stipendienprogramm der Studienstiftung des deutschen Volkes: www.studienstiftung.de/china.html
- Felix freut sich über Fragen zu seinen Erfahrungen und gibt gerne Tipps zur Organisation des Auslandsjahrs: felix@stammsperber.de
Mitreden!