Prolog: »Und heute noch fährt unser Schiff.«
Alleine Segeln: Was sich für Menschen mit einem Jahreseinkommen jenseits von Gut und Böse zunächst unspektakulär anhört, ist für Pfadfinder, die ja bekanntlich eine latente Immunität gegen bessere finanzielle Situationen haben, oft nur ein Wunschtraum. Glücklicherweise gibt es bereits seit einigen Jahren Segelschiffe in bündischer Hand, die auch für den Durchschnittsverdiener erschwinglich sind (siehe haddak 1/2008, »Alle Mann an Deck«, S.20). Das neueste Exemplar dieser Gattung ist die »Whydah of Bristol«, die Nachfolgerin der 2013 gesunkenen »Falado von Rhodos« (siehe haddak 2/2013, »Oh, wie schön war Falado«, S. 10). Der Ring Bergisches Land ließ es sich nehmen, das Schiff mit einigen Rovern in Beschlag zu nehmen und eine Woche auf der Ostsee rumzukurven.
Tag 1: »Noch liegt sie ruhig am Hafenkai«
Morgens um sechs Uhr ging die große Fahrt los. Damit ist noch nicht das Segeln gemeint, sondern nur die Anfahrt. Denn die Whydah hat ihren Heimathafen in Heiligenhafen, also ganz im Norden der Republik. Von Köln/Bonn aus braucht das seine Zeit, bis man da ankommt. Nach und nach trudelten die Möchtegernmatrosen am Meer ein und nahmen das Schiff in Augenschein. Die Reaktionen reichten von sofortiger unbändiger Liebe bis zu Skepsis a lá »Mit der Schabracke soll ich eine Woche lang rumfahren?«. Und es stimmt: Ein Schiff ist nicht gerade komfortabel. Bereits beim ersten Betreten stieß ich mir den Schädel am Durchgang, meine Koje roch nach Öl und überhaupt ist alles viel zu eng für Menschen über 1,50 Meter Körpergröße. Naja, gesegelt sind wir an dem Tag noch nicht.
Tag 2: »Flink auf, die luftigen Segel gespannt«
Segeln! Endlich. Heute war unser erster Tag auf See und ich war sofort hellauf begeistert. Damit gehörte ich einer Minderheit an, denn acht von zwölf Besatzungsmitgliedern waren aufgrund von Seekrankheit bewegungsunfähig oder opferten ihren Mageninhalt direkt Neptun. Joto wird über diesen Tag später seiner Freundin schreiben »Fast alle haben von der Reling gekotzt. Ich nicht: Ich habe stattdessen die Kombüse zugereihert.« . Nur einige Stunden verbrachten wir auf offener See, am Abend fuhren wir aufgrund der chronischen Seeuntauglichkeit der Crew wieder nach Heiligenhafen. Eine Vorfreude auf den nächsten Tag war nur schwer zu erkennen.
Tag 3: »Wir fahren über‘s weite Meer«
reni, unsere Bootsfrau, hat prophezeit, dass am zweiten Tag die meisten Leute wieder fit werden und tatsächlich hielt sich das Erbrechen in Grenzen. Die meisten Crew-Mitglieder konnten wieder stehen, einige Vögel mussten sogar ihre Seetauglichkeit beweisen, indem sie höchstmöglich in die Wanten kletterten. Mein größter Erfolg des Tages war ein nahezu nicht beanstandbares Austreten im Klüvernetz ganz im Bug des Schiffes. Abends waren wir in Dänemark angelangt. Alle waren hundemüde, der Tag war lang und Segeln ist eben doch anstrengender, als man glaubt.
Tag 4: »Klatscht der wilde Sturm an unser Deck«
Raue See am Morgen. Sogar so rau, dass viele wieder unter Seekrankheit litten. Noch rauer: Eine Welle brach uns den angeknacksten Ankerbaum weg. Damit konnten wir das Klüversegel nicht mehr nutzen. Viel schlimmer noch: Der abgebrochene Baum schlug mit jeder Welle gegen den Rumpf. Die Whydah hat zwar einen Stahlrumpf, aber trotzdem tut so eine Dauerbelastung nicht gut. Jonas und ich gurteten uns also am Schiff fest und mehr oder weniger kopfüber gelang es uns, den abgebrochenen Balken zu bergen. Am Abend legten wir an einer niedlichen dänischen Kleinstadt mit hässlichem Getreidesilo an. basti und ich angelten noch etwas im Hafen, blieben aber erfolglos.
Tag 5: »Ist’s Wetter klar und die Fahrt gelingt«
Ein Motorschaden verzögerte das Auslaufen am Morgen um einige Stunden. Scheinbar leckte ein Dieselventil. Der Schaden wurde provisorisch repariert, Jotos Koje roch allerdings danach so stark nach Autowerkstatt, dass er es vorzog, auf dem Boden zu schlafen. Auf See hatten wir dann Traumwetter, die Sonne schien und das Wasser war glatt. Unangenehmer Nebeneffekt: Der Wind war weg. Nur gähnend langsam flanierten wir über den Ententeich. Gegen Abend tuckerten wir dann mit Motorhilfe in den Hafen.
Tag 6: »Herb, wie geräucherter Fisch«
Die See wurde wieder etwas wilder, doch inzwischen waren alle an das Schwanken gewöhnt und turnten an Deck herum. Die Strecke war lang und der Wind gegen Ende wieder recht schwach, so dass wir wieder tuckern mussten. Am Hafen dann Enttäuschung. Kein Hafenmeister war mehr wach, der uns eine Dusche öffnen könnte. Also ging es schmandig in die Koje. Der Rest von meinem Stamm ließ es sich jedoch nicht nehmen, mich vor dem Betten noch zu taufen. So wurde aus »Laurens« ganz schnell »fender«. Die Geschichte dahinter? Nun, was auf einem Schiff passiert, bleibt auf einem Schiff.
Was auf einem Schiff passiert, bleibt auf einem Schiff
Tag 7: »Während ich über‘n Strand schwank«
Noch vor Sonnenaufgang standen wir heute auf. Heimfahrt nach Heiligenhafen war angesagt, und der Weg war noch weit. Die Fahrt verlief problemlos und wir erreichten vor Zeitplan unseren Heimathafen. Wir tankten auf, begannen, das Schiff aufzuräumen und machten auch uns nochmal frisch. Am Abend zogen wir zum Abschlussessen in ein Restaurant. Auf dem Weg dorthin herrscht uns ein Mann an, dass wir doch bitte die Stadt stehen lassen mögen. Wir fühlten uns wie Seebären. Das lag nicht zuletzt daran, dass wir auch an Land immer noch schwankten, als hätten wir Windstärke 7. Satt und zufrieden ging es ein letztes Mal unter Deck ins Bettchen, am Folgetag verließen wir die See Richtung Heimat. Danke, Whydah!
Mitreden!