Der Zugvogel ist aktuell einer der bekanntesten Wandervögelbünde. Dies liegt an mehreren Faktoren. So hat er sich durch viele bekannte Lieder in die Kultur unserer kleinen verschworenen Welt hineingesungen. Was wäre schon eine Singerunde ohne »Sonnenschein und wilde Feste«, »Sardegna « oder »Bündische Vaganten«? Viele haben ihn aber auch schon kennengelernt durch seinen wirklich imposanten Bundessitz, den Kochshof bei Odenthal im Bergischen Land. Hier feierten zum Beispiel die Wuppis ihr Stammesjubiläum im Juli dieses Jahres, aber auch der ein oder andere wird seinen Weg dorthin gefunden haben, wenn er beispielsweise das sagenumwobene Patentreffen besuchte.
Der eigentliche Grund aber, weswegen man den Zugvogel kennt, ist seine unüberseh- und -hörbare Präsenz auf überbündischen Aktionen, wie dem Peter-Rohland-Singewettstreit an der Burg Waldeck. Erkennt man diesen zumeist sehr gut gelaunten Haufen nicht an seinen grünen Barretts, wobei das Grün eher in ein Ocker-Beige geht, so wird man spätestens am Abend auf ihn aufmerksam. Mit vielen Gitarren und mindestens einem Kontrabass hört man sie als erstes singen und auch als letztes. Der Zugvogel ist ein Singeungetüm, das, wenn man es einmal loslässt, nicht aufhört Musik zu machen, bis nicht auch der letzte Hauch von Nacht von der Sonne vertrieben wurde und auch der letzte Schluck Bier getrunken ist. Man könnte es auch so formulieren: »Sonnenschein und wilde Feste« ist nicht metaphorisch gemeint. Das alles ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn der Zugvogel ist nicht nur ein Haufen von Chaoten, die ein bisschen Musik machen. Wer einmal die beeindruckenden Fahrtenbilder gesehen hat, sei es von der Transamericana, sei es mit dem selbstgebauten Floß auf dem Yukon, der erkennt schnell, dass hier das Wort Fahrt und besonders Großfahrt keine Nebenrolle spielt. Dass man dennoch oft irritiert ist von der Eigenart dieses Bundes, die so gar nicht in das Bild wanderbevogelter Gesellen passt, dem sei ein Blick auf dessen Geschichte angeraten. Denn der Zugvogel ist eine direkte Reaktion auf die deutsche Geschichte. In einem Schützengraben des Zweiten Weltkriegs traf sich der zukünftige Bundesgründer Alo Hamm, genannt Trenk, mit anderen Bündischen. Unter dem Eindruck der Kriegsverbrechen seiner Zeit verabredeten sie sich, sollten sie den Krieg überleben, einen neuen Bund zu gründen, der ganz auf pazifistischen Grundlagen fußen sollte. Es wäre zwar nun etwas zu viel des Guten, den heutigen Bund durch eine besonders friedliche Art zu charakterisieren, ein Grundmisstrauen gegenüber Hierarchien und allzu strenger Form kann man aber diesem zuweilen chaotischen Haufen bündischer Lebensform ohne weiteres attestieren.
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